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Das Spiel der Spiele von Jesse Livermore: Der König der Spekulanten und ein Vorbild für Trader

Michael Seibold ist als freier Redakteur beschäftigt. Artikel von freien Redakteuren stellen deren eigene Meinung dar und müssen mit der von aktien nicht korrespondieren.

Liebe Leser,

Börsenbücher gibt es viele, doch wenige fesseln Börsianern so wie das "Spiel der Spiele" von Edwin Lefèvre oder im englischen "Reminiscences of a Stock Operator". Es ist nicht nur eines der am meistgelesenen und vor allem meistempfohlenen Investmentbüchern, sondern beschreibt das Leben eines vielleicht der beeindruckendsten Spekulanten, die es jemals an der Wall Street gab. Die Rede ist vom US-amerikanischen Trader Jesse Lauriston Livermore, der von 1877 bis 1940 lebte und berühmt wurde, in dem er während der Zusammenbrüche der Börsenmärkte 1907 und 1929 ein Multi-Millionen-Dollar-Vermögen aufbaute, um dann wieder einen Großteil zu verlieren. Sein Vermögen betrug am Ende seines Lebens über 5 Millionen Dollar, was zur damaligen Zeit sehr viel Geld war. Heute wären das umgerechnet ca. 30 Millionen Dollar, um es mit der damaligen Kaufkraft gleich zu bemessen.

Livermores Leben

Bereits im Alter von fünfzehn Jahren konnte Jesse Livermore seine ersten Erfahrungen an der Börse sammeln. Zuerst arbeitete er als Kurs-Tafel-Boy bei einem Wertpapierhändler. Er wurde auch als "Boy Plunger" genannt. Er stammte aus Massachusetts und stammte als Sohn eines Farmers aus einfachen Verhältnissen. Für ihn stand schon früh fest, dass er dem Leben seines Vaters als Farmer nicht nacheifern wollte und so machte er sich auf den Weg nach Boston, worin seine erste Arbeit aus dem Anschreiben von Aktienwerten auf die Kreidetafeln bestand.

Er gewann und verlor in seinen Anfängen Millionen von Dollar und avancierte noch zu Lebzeiten zu einer Legende. "Der König der Spekulanten", wie er auch von vielen seinen Bewunderern benannt wird, wurde sogar von manchen für den großen Crash 1929 verantwortlich gemacht, als er mit seinem Short-Selling berühmt wurde. Nach dem Crash betrug sein Vermögen sogar 100 Millionen Dollar, wo er später einen Großteil davon wieder verloren hat. So spektakulär auch sein Börsenleben und seine Tradingaktivitäten waren, so spektakulär war auch sein Abschied von dieser Welt. Im Alter von 63 Jahren nahm er sich das Leben, er litt unter einer bipolaren Störung.

Das eigene Handels-System

Das bereits in dem Jahre 1923 erschiene Werk enthält Geschichten und Weisheiten über die Börse, die im überlieferten Wall-Street-Mythos so tief verankert sind, dass oft in Vergessenheit geraten wird, woher diese eigentlich stammen. So auch der legendäre Satz: "Die Kurse sind nie zu hoch, um zu kaufen, und nie zu niedrig, um zu verkaufen." Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um an der Börse zu bestehen, ist die eingehende Auseinandersetzung mit den herkömmlichen Marktbedingungen, um Wahrscheinlichkeiten bestimmen zu können. Ohne die Spielregeln zu kennen und ohne ausreichende Marktkenntnisse ist es ähnlich wie beim Roulette-Spiel. Nur durch den unbedingten Drang, am Spiel teilhaben zu wollen, entstehen viele Verluste an der Wall Street. Jeder Trader sollte sein eigenes System finden, das seiner Denkweise entspricht.

Jedes System ist individuell und funktioniert nur, wenn sich der Trader dabei wohl fühlt. Viele Trader wechseln ständig ihre Strategie und sind nicht konsequent, ihren eigenen Trading-Stil durchzuziehen. Das kostet viel Nerven, aber oft auch viel Geld. Und so spricht Jesse Livermore aus eigenem Erleben, dass es "eine unvergleichliche Erfahrung ist, alles zu verlieren, um zu lernen, was man falsch gemacht hat. Weiß man dann endlich, was man nicht tun darf, um Verluste zu vermeiden, fängt man an zu lernen, was man tun muss, um Gewinne zu erzielen". Auch diese Passage verdeutlicht sein Trading-System: "Ich tat genau das Falsche. Mit Baumwolle hatte ich Verlust gemacht -und behielt sie. Bei Weizen war ich im Gewinn – und stellte die gesamte Position glatt. Man kann kaum einen größeren Fehler beim Spekulieren machen als zu versuchen, einen Verlust mit einer anderen Position zumindest teilweise auszugleichen. Verkaufen Sie stets, womit Sie Verlust machen, und behalten Sie immer die Position, mit der Sie im Gewinn liegen."

Strategien und Regeln

Livermore war der Meinung, dass es sinnlos ist, gegen den Markt zu kämpfen. Das große Geld an der Börse wird nicht mit kleineren einzelnen Kursschwankungen verdient, sondern in dem man den Trend und die großen Bewegungen des Marktes erkennt. Schwöre einer Baisse oder einer Hausse nicht ewige Treue, denn sie kann sich schnell ins Gegenteil verwandeln. Es geht nicht darum, den exakt billigsten Punkt als Kauf und den teuersten Punkt als Verkauf zu bestimmen, denn das wird keinem auf Dauer gelingen. Viel entscheidender ist es, abzuwarten, bis sich eine Trendwende klar herauskristallisiert, anschließend mit einer kleinen Position einzusteigen, um dann bei Bestätigung und ersten Anfangsgewinnen eine höhere Position aufzubauen. Ja und Livermore meinte dazu auch: "Die Grundlage einer erfolgreichen Spekulation in Aktien besteht in der Annahme, dass Menschen ihre in der Vergangenheit begangenen Fehler auch in Zukunft wiederholen."

Solange der Trend anhält, stockt man schrittweise den Bestand auf. Die zweite Transaktion sollte man erst ausführen, sobald die erste im Gewinn steht. Auch ist es meist besser, geringe Verluste zu realisieren, als abzuwarten und zuzuschauen, wie einem der Markt davonläuft. Sofern der Markt in eine andere Richtung umschwenkt, werden zwar die Aktien verkauft, aber auch dann die Gewinne realisiert. Ein professioneller Spekulant hat ein gutes Risikomanagement. Eine weitere wichtige Regel von Livermore lautet: Man sollte verkaufen, "wenn man kann und nicht, wenn man möchte." Bei Aktienverkäufen muss immer eine entsprechende Nachfrage dahinterstehen, d.h. jemand anders muss bereit sein, diese abnehmen zu wollen.

Dies gilt v.a. bei marktengen Werten mit geringem Umsatzvolumen. In dieser Hinsicht sollten von erfahrenen Tradern auch die Widerstandslinien beachtet werden. Kurse gehen den Weg des geringsten Widerstandes, bis sie beispielsweise an eine Begrenzung stoßen. Der Trader wartet nicht auf den höchsten oder den niedrigsten Kurs zum Einstieg ab, sondern überlässt diese den Kräften der Trader, die ihre Position korrigieren bzw. falsch gelegen haben. Kursbewegungen vorwegzunehmen ist gefährlich, erst beim Durchbrechen dieser Widerstandslinien ist ein Engagement vorteilshaft. Erst den Markt zu beobachten und dann handeln, wenn der Kurs die Begrenzung in eine Richtung durchbricht, ist eine hohe Kunst.

Der größte Feind des Traders

Livermore hat sich auch damals schon mit Inhalten aus der Psychologie beschäftigt. Der größte Feind eines jeden Traders steckt in uns selbst. Es ist die Natur und der ständige Kampf ums Überleben, Stichwort Säbelzahntiger. Angst und Hoffnung sind Urinstinke der Menschheit und haben erst ein Überleben unserer Spezies ermöglicht. Für Livermore gehören Emotionen ganz klar zum Börsengeschehen dazu, für ihn stellen Menschen keine Maschinen dar, die immer die gleiche Leistung vollbringen können. Menschen sind auch nicht vor Missgeschick und Pech gefeit. Vor allem die Überzeugungskraft einer faszinierenden Persönlichkeit kann gefährlich für einen Trader sein.

Viele unserer Verhaltensmuster werden in den ersten drei Lebensjahren geprägt und lassen sich anschließend nur noch mit sehr viel Arbeit ändern. Im Gegensatz zu vielen anderen ist Livermore der Meinung, dass Gefühle und Emotionen nicht einfach ausgeschaltet werden dürfen, denn sie können einem auch große Dienste erweisen. Das Unterbewusstsein ist maßgeblich beteiligt und verarbeitet alle Faktoren miteinander. So hat der US-amerikanische Ausnahmetrader oft aufgrund seiner Intuition viele richtige Entscheidungen getroffen, die für außenstehende teilweise nicht nachvollziehbar waren. So meinte er dazu: "In einem Bull-Markt werden bearische Nachrichten ignoriert, während auf bullische Meldungen euphorische Reaktionen folgen und vice versa."

Trader haben es einfacher, wenn sie weniger beim Handeln an das Geld denken, das sie verdienen können, sondern vielmehr Spaß haben, selbst gesteckte Ziele zu erreichen. Die Börse und der Kurs hat immer Recht, deswegen sollte man sich auch Fehler eingestehen, insofern man mit seiner Einschätzung falsch lag. Hier bringt es auch nichts, Groll zu hegen oder mit Verbitterung zu reagieren. Livermore war auch kein Freund von Tipps oder Empfehlungen anderer. Um seiner Philosophie zu entsprechen, muss man als Trader seiner individuellen eigenen Eingebung und Erfahrung folgen und die Tipps anderer ignorieren. Ungeprüft Meinungen anderer zu übernehmen kann ein teures Pflaster sein. Ein Trader sollte immer zuerst an sich selbst glauben und sich ein eigenes Urteil bilden.

Niemand kann an der Börse nur Erfolg haben, Verluste gehören zum Börsenleben dazu, doch sie sollten am besten so gering wie möglich ausfallen.

Liebe Anleger,

ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments!

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold

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Bildherkunft: https://unsplash.com/photos/9QnFO9ezytU

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