Der größte Shortseller der Welt
James Steven Chanos, Rufname Jim, wurde 1957 am Heiligen Abend in Milwaukee, Wisconsin, geboren. Seine Eltern waren jüdisch-griechische Immigranten, die eine Kette von Textilreinigungsunternehmen betrieben. Auch das Viertel, in welchem Jim aufwuchs, war stark griechisch geprägt. Er besuchte die Wylie E. Groves High School im westlichen Nachbarstaat Michigan und schlug sich zum Studium bis zur Westküste nach Connecticut durch, wo er an der altehrwürdigen Yale Universität Ökonomie studierte. Seinen Abschluss erhielt er 1980.
Seine Karriere begann der junge Wirtschaftswissenschaftler bei Blyth Eastman Paine Webber als Analyst. Er erhielt dort ein Jahresgehalt von $ 12.500,00 bei einer Wochenarbeitszeit von 80 Stunden. Schnell wurde ihm klar, dass er ein finanziell besseres Leben führen würde, wenn er Schneeschipper in Milwaukee wäre. Allerdings konnte Chanos dafür frei recherchieren und untersuchen, was ihm interessant vorkam.
Das erste Mal
Seine nächste berufliche Station war Gilford Securities im Jahr 1982. Hier sollte er gezielt Unternehmen untersuchen, die ihm von seinen Vorgesetzten genannt wurden. Sein erstes Ziel war Baldwin United. Diese Firma war ursprünglich ein Piano-Hersteller, transformierte sich aber unter fraglichen Umständen zu einem Finanzdienstleister und Versicherungsunternehmen um. Chanos untersuchte die Firma und konnte nicht herausfinden, wie Baldwin Geld verdiente. Aus den Finanzpublikationen wurde er auch nicht schlau. Eines Nachts bekam Jim Chanos einen anonymen Anruf. Der Anrufer wies Chanos auf eine Korrespondenz zwischen Baldwin und dem Bundesstaat Arkansas hin, wonach das Unternehmen de facto insolvent war. Daraufhin grub er immer tiefer und deckte nach und nach auf, dass Baldwin United nicht mehr als ein einziger großer Betrug war. Er unterrichtete seine Vorgesetzten und einige Kunden von Gilford Securitites über seine Ergebnisse und baute im August 1982, teils mit Firmengeldern, teils mit Kundengeldern, größere Shortpositionen in Baldwin auf. Zur selben Zeit startete allerdings einer der längsten Bullenmärkte der Wall Street Geschichte und der Aktienkurs von Baldwin verdoppelte sich in der Folgezeit. Chanos war zu diesem Zeitpunkt gerademal 24 Jahre alt und einige wütende Kunden forderten den Kopf des jungen Analysten. Seine Vorgesetzten unterstützten Chanos jedoch und stärkten ihm den Rücken. Zu Beginn der Weihnachtsfeiertage 1982 bekam Jim Chanos dann endlich den erlösenden Anruf, dass der Staat Arkansas alle Vermögenswerte von Baldwin beschlagnahmt hatte. Der Aktienkurs brach ein und tendierte gegen null. Das war Chanos erster Short.
Der größte Shortseller der Welt
Nach Gilford Securities arbeitete Chanos noch einige Zeit bei der Deutschen Bank als Analyst, bevor er im Jahr 1985 seinen eigenen Hedge Fund gründete. Der Name war Kynikos (griechisch für zynisch). Sein Startkapital belief sich auf $ 16 Mio., die hauptsächlich aus Kundengeldern bestanden.
Heute besteht der Hedge Fund aus 3 verschiedenen Fonds namens Ursus, Kritikos und Kynikos. Die beiden Erstgenannten fokussieren sich ausschließlich auf die Shortseite, während Letzterer Long- und Shortspekulationen eingeht. Insgesamt hat der Hedge Fund $ 2,5 Mrd. Assets under Management (in Spitzenzeiten waren es sogar $ 7 Mrd.), was Kynikos zum größten Shortseller der Welt macht. Kunden des Hedge Fund sind hauptsächlich institutionelle Investoren, aber auch einige wohlhabende Privatleute, die Interesse an einem Portfolio haben, das absolut keine Korrelation zum Gesamtmarkt aufweist.
Große Bekanntheit erlangte Kynikos mit der Vorhersage der Firmenpleite von Enron 2001 und einer dementsprechend großen Shortposition. Dieser Trade machte Kreisen zufolge Jim Chanos zum Milliardär. Weitere sehr bekannte und erfolgreiche Shorts des Unternehmens waren WorldCom und Tyco. Erst kürzlich verdiente Kynikos sehr viel Geld mit Leerverkäufen in Valeant Pharmaceuticals. Naturgemäß konnte das Unternehmen auch viel Geld in den Krisenjahren 2008 und 2009 verdienen.
Aktuell hält Chanos größere Shortpositionen auf Tesla und den chinesischen Aktienmarkt.
Investmentstil
Wie bereits mehrfach erwähnt ist Jim Chanos ein Shortseller. Er wird häufig als das Spiegelbild von Warren Buffett bezeichnet, da auch Chanos großen Wert auf eine äußerst gründliche Analyse der potenziellen Investments legt. Allerdings versucht er überbewertete Aktien zu identifizieren, die voraussichtlich an Wert verlieren werden. Chanos sieht sich übrigens selbst als Finanzdetektiv, der einen sehr wertvollen Beitrag für die Allgemeinheit leistet.
Shortkandidaten haben seiner Ansicht nach folgende Eigenschaften: sich verschlechternde Gewinnaussichten, nicht nachhaltiges Wachstum, sich verstärkender Wettbewerb in der Industrie sowie das Fehlen eines vernünftigen und langfristig orientierten Geschäftsmodells.
Anzeichen dafür, dass bei einem Unternehmen etwas nicht stimmt, sind folgende: Insider verkaufen Anteile, hochrangige Führungspersonen verlassen häufig das Unternehmen, die Finanzpublikationen sind unübersichtlich und nicht aussagekräftig, die Wachstumsprognosen sind fragwürdig, die Verschuldung ist hoch und häufig gibt es eine charismatische Führungsperson, die die Story des Unternehmens am Leben hält. (Viele dieser Anzeichen glaubt Chanos übrigens bei Tesla zu sehen. Außerdem geht er davon aus, dass Elon Musk zeitnah vom CEO-Posten abtreten wird, um sich voll und ganz auf SpaceX zu konzentrieren. Und letztlich argumentiert er, dass die großen Automobilbauer nun das Feld der Elektromobilität betreten und Tesla mit besseren und günstigeren Autos vom Markt drängen. Das, in Kombination mit der hohen Verschuldung des Unternehmens, wird Chanos‘ Meinung nach zu massiven Preisstürzen der Aktie führen. Aber das nur am Rande.)
Informationsquellen des Star-Leerverkäufers sind neben den Finanzpublikationen auch alle Arten von Stakeholdern; sprich das Management, Konkurrenten, Industriefachleute, Zulieferer, Kunden, etc.
Er nutzt für den Positionsaufbau Aktien, Wandelanleihen und Optionen. Chanos und sein Hedge Fund sind weltweit tätig und die Haltedauer einer Position liegt im Schnitt bei über einem Jahr.
Jim Chanos ist nebenberuflich Professor an der Yale University und unterrichtet Finance. Er verfügt über ein geschätztes Vermögen von $ 1,5 Mrd. Bemerkenswert ist, dass Chanos und sein Short-Fund sehr gute Ergebnisse erzielen, obwohl seit Gründung 1985 die beiden längsten Bullenmärkte der Börsengeschichte Einzug in die Geschichtsbücher gehalten haben. Das spricht für herausragende Arbeit und ein gutes Händchen.
Zitate
– "Shortseller sind professionelle Skeptiker, die hinter den Hype schauen, um den wirklichen Wert einer Aktie abzuschätzen."
– "Wenn es darum geht, unternehmerischen Betrug aufzudecken, sind die Shortseller häufig in der Rolle der Detektive, während unsere Regulierer leider allzu oft Archäologie praktizieren."
– "Finanzhistorie wiederholt sich oftmals."
– "Ein Markt ohne Bären wäre wie ein Land ohne Pressefreiheit."
– "Shortseller stellen die richtigen Fragen und decken die Diskrepanzen in der Finanzpublikationen auf."
– "Am Ende des Tages sind Zahlen die Sprache des Geschäftslebens."
– "Shortselling ist ein von Natur aus risikoreiches Unterfangen. Die Profite sind auf 100% begrenzt, die Verluste können jedoch unendlich groß werden."
– "Gute Shortseller haben etwas in ihrer DNA. Oder vielleicht wurden wir auch als Babies auf den Kopf fallen gelassen."
– "Ein typischer Fehler ist es, sich auf das Management oder Analysten zu verlassen. Wenn die auch getäuscht werden, stehst du allein im Regen."
– "Entgegen den Behauptungen einiger Menschen, ist Shortselling eine der am stärksten regulierten Strategien überhaupt."
– "Es ist für Shortseller technisch überhaupt nicht möglich, den Preis einer Aktie auf Talfahrt zu schicken."
– "Shortseller stabilisieren fallende Märkte durch Aktienkäufe, um ihre Shorts zu decken. Das resultiert in Unterstützungsniveaus und kann die Volatilität reduzieren."
– "Wenn ich im Timing gut wäre, hätte ich mich schon vor langer Zeit zur Ruhe gesetzt."
– "Man sollte die Aktivitäten regulieren und nicht die Akteure."
– "Den Boten zu erschießen verändert auch nicht die Realität."
– "Die Menschen glauben, dass ich zwei Hörner habe und die Syphilis verbreite."
– "Wir liegen immer mal wieder falsch. Deswegen ist auch keine Position größer als 5% unseres Kapitals."
- "Dummheit ist kein Verbrechen, und schlechte Entscheidungen zu treffen ist auch kein Verbrechen. Sie führen ganz sicher zu schrecklichen Verlusten, aber so ist halt der Aktienmarkt."