Investoren leben länger – Irving Kahn
Irving Kahn wurde am 19. Dezember 1905 in Manhattan, New York City, geboren und war der Sohn von russischen Immigranten. Als Kind besuchte er eine öffentliche Schule in der Bronx, dem damaligen Armenhaus der Ostküstenmetropole. Seine schulischen Leistungen verhalfen ihm zu einem Wechsel an das New York City College. Allerdings musste der junge Kahn diese universitäre Ausbildung abbrechen, da er im elterlichen Betrieb gebraucht wurde.
Einstieg
Als Schicksalsjahr sollte sich 1928 herauskristallisieren. Irving Kahn entschloss sich endgültig, aus dem Betrieb der Eltern auszusteigen und seines eigenen Glückes Schmied zu werden. Seine Karriere startete mit einem Laufburschenjob bei Kuhn, Loeb & Company. Als weitaus bedeutender sollte sich jedoch sein Zweitjob herausstellen. Irving Kahn hörte von einem Investor, der mit hohen Renditen alle anderen an der Wall Street alt aussehen ließ. Dieser Investor gab sein Wissen glücklicherweise durch Lehrveranstaltungen an die Allgemeinheit weiter. Sein Name: Benjamin Graham.
Irving Kahn schaffte es irgendwie, dass Graham ihn als 2. Assistenten an der Columbia Business School anstellte. Er erledigte statistische Arbeiten für den Altmeister. So gehen einige Auswertungen im Klassiker Security Analysis auf Kahns Konto.
Seinen ersten Trade machte Irving Kahn übrigens im Sommer 1929; nur wenige Wochen vor dem großen Crash im Oktober des Jahres. Kahn hielt Aktien einer Kupfermine für stark überbewertet und shortete das Papier. Sein Einsatz sollte sich noch im selben Jahr verdoppeln.
In der Periode von 1930 bis 1978 übte Irving Kahn diverse Berufe aus und hatte verschiedenste Positionen inne. So war er bspw. Geschäftsführer der Supermarktkette Grand Union. Außerdem war er einer der ersten Menschen überhaupt, die sich in den 1950er Jahren für die Chartered Financial Analyst (CFA) Prüfung beworben haben – und diese bestanden. Wenig später gründete er die New York Society of Security Analysis sowie das Financial Analysts‘ Journal. Nach Grahams Tod 1976 schrieb Kahn eine Biografie über seinen Lehrmeister. Zu dieser Zeit befand sich Kahn auch in seinem letzten Angestelltenverhältnis: er war mehrere Jahre für die Bank Lehman Brothers tätig.
Kahn Brothers
Die Zeit an der Seite von Benjamin Graham brachte den gebürtigen New Yorker nicht nur beruflich weiter, sondern hatte auch großen Einfluss auf sein Privatleben. In einem Kurs von Graham saß die junge Ruth Perl, in die sich Kahn verliebte. Die Zuneigung wurde glücklicherweise erwidert und so läuteten im Jahre 1931 die Hochzeitsglocken. Ruth und Irving setzten 3 Söhne in die Welt. Seinen dritten Sohn nannte das Paar übrigens Thomas Graham Kahn, zu Ehren des Altmeisters. Auch Warren Buffett benannte einen seiner Söhne nach Graham.
Mit zwei seiner drei Söhne gründete Irving Kahn 1978 die Vermögensverwaltung Kahn Brothers, welche heute $630 Mio. verwaltet. Die Firma managt neben dem Familienvermögen auch Gelder von Unternehmen oder wohlhabenden Privatpersonen. Das Unternehmen ist ein absoluter Familienbetrieb, in welchem mittlerweile schon die Enkel von Irving Kahn tätig sind. Kahn selbst arbeitete noch in der Firma bis er ein Alter von 108 Jahren erreicht hatte. Selbst derart betagt kam er von Montag bis Donnerstag ins Unternehmen; lediglich am Freitag nahm er sich frei. Wie alle großen Investoren las Kahn sehr gern und sehr viel. Jeden Morgen durchwälzte er verschiedene Tageszeitungen. Außerdem besaß er mehrere tausend Bücher. Ausschließlich Sachbücher versteht sich.
Anlagestil
Als Schüler Grahams ist Irving Kahn natürlich den Value Investoren zuzuordnen. Er verfolgte einen Bottom-up Ansatz, wobei er die Bilanzen und GuVs unendlich vieler Unternehmen durchackerte, um unterbewertete Titel zu identifizieren. Manche sagen, dass er viel von einem Contrarian Investor hatte, da er oftmals die scheinbar ramponiertesten Aktien für Investments auswählte. Kahn vernachlässigte andere Wertpapierklassen größtenteils und legte seinen absoluten Fokus auf Aktien. Die durchschnittliche Haltedauer umfasste einen Zeitraum größer acht Jahren.
Besondere Berücksichtigung in seiner Analyse erfuhren Buchwert, operativer Geschäftsverlauf sowie langfristige Geschäftsaussichten. Des Weiteren sollte das Unternehmen eine geringe Verschuldung aufweisen. Ein Aktienbesitz des Managements war für Kahn ebenso wünschenswert. Als besonders wichtig erachtete Irving Kahn das Verhältnis von Marktkapitalisierung zu Working Capital.
Gern kaufte Kahn Small und Mid Caps. Auf Diversifikation legte er keinen Wert.
Irving Kahn starb am 24. Februar 2015 in New York. Seine Ahnen scheinen ihm und seinen Geschwistern besonders gute Gene mitgegeben zu haben. Irving war nämlich eines von vier Kindern. Alle vier wurden weit über 100 Jahre alt und bildeten zu Lebzeiten das älteste Geschwisterquartett der Welt.
Zitate
- "Lemminge verlieren immer."
- "Jede Marktmanie wird am Ende mit der harten Realität konfrontiert."
- "Richtige Investoren sollten niemals ein bearisches Gefühl haben, denn die Zeit, um wirklichen Wert zu kaufen, ist, wenn die Märkte abwärts gehen."
- "Meine Mutter, Esther, und mein Vater, Saul, waren bereit, ihre Sprache, ihre Religion und ihre Freunde im eigenen Land zurückzulassen, um nach Amerika zu kommen und ein neues Leben zu beginnen. Mein Respekt für ihren Mut und ihre Entschlossenheit brachten mich dazu, bereits in jungen Jahren sehr viel zu lernen, weil ich einen gut bezahlten Job haben wollte, um sie eines Tages unterstützen zu können."
- "Zahlen können lügen und Lügner können rechnen."
- "Es gibt immer etwas, das man tun kann. Man muss nur danach Ausschau halten, kreativ sein und die Flexibilität beibehalten."
- "Die große Depression zeigte mir, was Bescheidenheit bedeutet und wie wichtig es ist, kein Geld zu verlieren."
- "Viele Studenten haben Grahams Kurs jedes Jahr belegt, weil sie viele Anlageideen von ihm erhielten und davon profitierten."
- "Wenn du dich darüber beschwerst, dass es keine Anlagemöglichkeiten gibt, dann heißt das, dass du entweder nicht gründlich genug geschaut oder nicht umfangreich genug gelesen hast."
- "Preise werden permanent durch Angst, Hoffnung und unzuverlässige Schätzungen modelliert."
- "Ich denke, dass die Menschen lernen müssen, optimistischer zu sein. Denn das Leben geht immer weiter, und manchmal kommen angenehme Überraschungen des Weges."
- "Höre damit auf, Dinge zu kaufen, die du nicht brauchst und fokussiere dich auf das Wesentliche; dann wirst du ein langes und glückliches Leben führen."
- "Das Ziel des Lebens ist glücklich zu sein, also startest du am besten, indem du überlegst, was wirklich zählt."
- "Als mein Boss mein Gehalt von $100 auf $60 reduzierte, fragte er mich, warum ich lache, und ich sagte, ‚Ich dachte, Sie würden mich feuern.‘."
- "Schaue auch über die größten zwei Unternehmen einer Branche hinweg."
- "Viele Wege führen den Berg des finanziellen Erfolges hinauf. Wer kam noch nie in die Versuchung, eine Abkürzung zu nehmen?"
- "Der Analyst muss sie selbst praktizieren und seinen Kunden predigen – die Geduld."
- "Kaufe niemals bekannte Aktien, außer vielleicht in einer Depression."
- "Ich bin ein leidenschaftlicher Leser. Deswegen ist Investor auch der perfekte Job für mich."
- "Lerne Dinge, die du noch nicht kannst – das hält dich jung."
- "Wenn die Kunst des Investierens einfach oder schnell zu erlernen wäre, dann gäbe es niemanden in der Unter- oder Mittelschicht."