Vive la Wall Street – Jean-Marie Eveillard
Jean-Marie Eveillard wurde 1940 im französischen Poitiers (Hauptstadt des Départements Vienne) geboren. Er absolvierte dort auch seine Schulausbildung. Zum Studium ging er in die Hauptstadt und studierte dort Wirtschaftswissenschaften an der École des hautes études Commerciales de Paris. Seinen Bachelorabschluss erhielt er 1962.
Im selben Jahr begann er seine berufliche Laufbahn bei der französischen Großbank Société Générale (kurz: SocGen). 1968 wagte Eveillard den Sprung über den Atlantik, blieb aber auch in den Staaten als Analyst für die SocGen tätig.
First Eagle Global
Jean-Marie Eveillard arbeitete sich Schritt für Schritt in der Fondsverwaltungsdivision der SocGen hoch und war für den sogenannten SocGen International Fund tätig. Seine hervorragenden Leistungen und sein enorm großer Wissensschatz sorgten letztlich dafür, dass er 1978 der Chef-Portfoliomanager des Fonds wurde.
Im Jahr 2000 wurde der Fonds dann in First Eagle Investment Management unbenannt. Eveillard managte zu Spitzenzeiten mehrere Fonds der Gesellschaft gleichzeitig. Die Assets under Management (AUM) stiegen in seiner Amtszeit von winzigen $ 15 Mio. in den 1970er Jahren auf über $ 60 Mrd. in 2004.
Das Jahr 2004 war auch das Jahr, in welchem sich Jean-Marie Eveillard aus der ersten Reihe von Global Eagle zurückzog. Er blieb dem Unternehmen als Berater erhalten und lehrte an der Columbia University in New York als Professor für Finance & Economics. Allerdings war Global Eagle in den Wirren der Finanzkrise ebenfalls in schwieriges Fahrwasser geraten, sodass Eveillard zurück ans Ruder geholt wurde. Er brachte den Vermögensverwalter durch den Sturm und übergab im September 2008 das Ruder an seinen Nachfolger. Sicherheitshalber bekleidet Jean-Marie Eveillard nach wie vor den Posten eines Senior Advisors. Heute verwaltet die Gesellschaft sogar über $ 110 Mrd.
Anlagestil
Der Franzose ist eindeutig ein Value Investor. Er selbst beschrieb das Value Investment einst als Zelt, in dem am einen Ende Ben Graham sitzt und am anderen Ende Warren Buffett. Eveillard war zu Beginn seiner Karriere eher dem Stil von Graham zugetan, wurde aber gegen Ende seiner Karriere Buffett immer ähnlicher. Sein Haltehorizont ist größer 5 Jahre. Sein Ansatz ist zweistufig: zuerst schaut er auf das Zahlenwerk eines Unternehmens. Erst wenn dieses zufriedenstellend ist, geht er in die zweite Phase über und prüft das Unternehmen hinsichtlich qualitativer Aspekte. Gerne betont Eveillard, dass man als Value Investor zwar stets mit einem Bottom-up Ansatz arbeiten sollte, aber niemals den Top-down Ansatz komplett vernachlässigen darf. Es lohnt sich häufig aus dem Klein-Klein heraus zu zoomen und die Dinge mit einem gewissen Abstand zu betrachten.
Seine Lieblingskennzahl ist übrigens diese hier: Enterprise Value / EBIT. Dabei wird der Enterprise Value definiert als Marktkapitalisierung + Verschuldung – Cash. Der Gedankengang dahinter ist, dass mit diesem Multiplikator der Unternehmenswert mit dem operativen Gewinn ins Verhältnis gesetzt wird und somit die Bilanz in der Kennzahl in gewisser Weise wiedergespiegelt wird.
Jean-Marie Eveillards Performance kann sich absolut sehen lassen und unterstreicht die Klasse des französischen Starinvestors: in der Zeit seiner 26-Jährigen Führung des Publikumsfonds erwirtschaftete er eine durchschnittliche jährliche Rendite von 15,7%. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Eveillard diverse Auszeichnung erhielt; unter anderem wurde er 2001 von Morningstar zum "Stock Manager of the Year" gekürt und 2003 bekam er ebenfalls von Morningstar den renommierten "Fund Manager Lifetime Achievement Award" verliehen. Außerdem nannte ihn das Fortune Magazin einst "einen der besten Value Investoren der Wall Street".
Als kleiner Exkurs: Eveillard hält große Stücke auf Wald als Investition. Holz ist für ihn ein sehr wichtiger Rohstoff und Bäume wachsen im Gegensatz zu Mineralien nach. Das Geschäft an sich ist nicht Kapitalintensiv und lässt sich in zwei Teile gliedern: Eigentum und Verwertung. Man kann ein sehr geringes Risiko fahren, wenn man lediglich das Holz besitzt und die Verwertung durch Verkauf jemand anderen überlässt. Das Holz lässt sich außerdem jedes Jahr ernten, was einen ständigen Kapitalstrom sicherstellt.
Wer mehr über Jean-Marie Eveillard wissen möchte, der kann einen Blick in sein Buch Value Investing: Mein Weg, meine Erfolge, meine Fehler werfen. Außerdem wird der Franzose im Buch von Whitney Tilson The Art of Value Investing porträtiert. Ebenfalls interessant ist ein Interview mit unserem Tim Schäfer auf YouTube, welches Sie hier finden.
10 Grundsätze
Aus seinem Buch stammen auch zehn Grundsätze, die Eveillard für seinen Value-Ansatz formuliert hat. Diese Grundsätze möchte ich ihnen natürlich nicht vorenthalten:
1. Ausreichende Sicherheitsmarge berücksichtigen.
2. Durchhaltevermögen unter Beweis stellen. Kurzfristige Preisfluktuationen oder Underperformance zum Index sollten langfristige Erfolgsaussichten nicht eintrüben.
3. Investmentansatz sollte zeitgemäß sein. Eveillard selbst war zu Beginn seiner Karriere nah an Grahams Anlagestil dran und suchte nach Aktien, deren Marktwert unterhalb des Umlaufvermögens notierten (Net-Net Aktien). Da sich in den Jahrzehnten einiges in der Investmentlandschaft änderte und Net-Net Aktien schwerer zu finden waren und der Fonds einfach zu groß wurde, um ausschließlich Small- und Microcaps zu kaufen, legte Eveillard später in seiner Karriere größeren Wert auf Qualität und näherte sich Buffett mehr und mehr an.
4. Weltweit investieren. Gute Gelegenheiten schlummern überall.
5. Keep it simple. Eveillard geht davon aus, dass nur 3-5 Merkmale eines Unternehmens über die zukünftige Entwicklung entscheiden; alles andere verkompliziert nur den Sachverhalt.
6. Schnäppchen ausfindig machen. Ähnlich wie Buffett rät Eveillard dazu, nach sehr guten Unternehmen zu suchen, die momentan mit einem vorübergehenden Problem konfrontiert sind. Sogenannte Fallen Angels bieten häufig einen guten Wert.
7. Stark verschuldete Unternehmen meiden.
8. Diversifizieren. Jean-Marie Eveillard wusste eigenen Angaben zufolge nie, welche Ideen besonders gut zünden würden. Daher hatte er häufig 30-40 Unternehmen gleichzeitig im Portfolio, teilweise sogar über 100.
9. Cash spielt Nebenrolle. Wenn der Franzose genügend gute Anlageideen hatte, war er auch voll investiert. Hingegen hatte er stets viel Cash, wenn sich keine Möglichkeiten boten. Er hat also keine Mindestcashquote oder ähnliches in seinem Ansatz.
10. Gold als doppelter Boden. Das Edelmetall gilt für ihn als Absicherung in Krisenphasen oder Abschwüngen. Damit setzt sich Eveillard ganz klar von Buffett und anderen Value Investoren ab, die Gold als schlechtes Investment abtun, da es keine Erträge erwirtschaftet.
Zitate
– "Es ist wärmer inmitten der Herde…außerhalb kann es sehr kalt werden."
– "Ich glaube fest daran, dass im Leben alles zyklisch verläuft, und im Speziellen in der Investment-Welt."
– "Es ist nichts falsch daran, Geld mit simplen Anlageideen zu verdienen. Schließlich macht Warren Buffett genau das seit Jahren."
– "Manchmal im Leben geht es nicht darum, was wir kaufen, sondern darum, was wir nicht kaufen."
– "Für mich ist Value Investing wie ein großes Zelt, das viele verschiedene Menschen beherbergt."
– "Es gibt sehr wenige Value Investoren, die in Shorts involviert sind, denn als Value Investor ist man langfristiger Anleger. Wenn man einen langfristigen Ansatz verfolgt, muss man sich um Marktpsychologie nicht kümmern."
– "Laut Definition gibt es zwei Charakteristika für Kreditinanspruchnahme. Nummer eins: Kredite arbeiten in beide Richtungen. Man gefährdet also die Idee der Sicherheitsmarge, wenn man Geld leiht. Nummer zwei: Kredite verringern dein Durchhaltevermögen. Als Value Investor ist man langfristiger Investor, also willst du Durchhaltevermögen haben."
– "Wir investieren letztendlich, wenn wir glauben, dass wir das Geschäft verstehen, wir denken, dass wir das Geschäft mögen und meinen, dass die anderen Investoren das Geschäft falsch preisen."
– "Value Investing macht nicht nur Sinn…es funktioniert auch."
– "Alles Wertvolle im Leben ist schwer zu erreichen."
– "Wir Value Investoren spielen Bridge, während die Anderen Poker spielen. Der Unterschied ist, dass es bei Bridge viel weniger um Glück geht, als bei Poker."
– "Das Geheimnis der meisten Value Investoren ist, dass wenn die Zeiten schwieriger werden, sie bei ihren Waffen bleiben und nicht kapitulieren."
– "Ein Investor, der ein Gebäude kauft oder eine ganze Firma, achtet sehr stark auf den Preis, den er dafür bezahlen muss. Dasselbe macht der Käufer eines Autos oder gar eines Badeanzugs. Alle schauen auf den Wert. Warum ist es bei Aktien so anders?
– "Wir versuchen herauszufinden, was ein kompetenter Käufer, der eine schöne Rendite erwartet, für die ganze Firma bereit wäre zu zahlen."
– "Wenn ich richtig gute Laune habe, sage ich, dass die Wall Street eine Räuberhöhle ist."
– "Jeder Chief Financial Officer in diesem Land, und ebenso außerhalb der USA, scheint zu versuchen, die höchstmöglichen Gewinne zu vermelden, ohne dafür ins Gefängnis gehen zu müssen."
– "Ein Unternehmen kann Value aufweisen, selbst wenn es nicht wächst."
– "Die Verfügbarkeit von Net-Cash-Aktien ist ein guter Indikator, wie billig der Markt derzeit ist."
– "Einer der Gründe, warum ich das Investieren in Wachstumsaktien nicht mochte, war, dass es voraussetzt, dass die Welt perfekt und vorhersagbar ist, aber das ist sie nicht."
- "Ich glaube, dass es ein konzentriertes Portfolio ein Phänomen des Bullenmarktes ist. Ein konzentriertes Portfolio in einem Bärenmarkt ist gefährlich, da man nie weiß, was mit seinen Aktien passieren wird."