Portfoliocheck: Mit Richèmont setzt Tom Russo auf den Luxus von Cartier und IWC. Und auf Alibaba…
"Du machst kein Geld, wenn du Aktien kaufst. Du machst kein Geld, wenn du Aktien verkaufst. Du verdienst Geld, wenn du abwartest"
(Charlie Munger)
Dieses Herumsitzen schlägt sich bei Russo in einer ungewöhnlich niedrigen Turnover-Rate nieder. Von Quartal zu Quartal wechselt er selten mehr als 3 Prozent seines Portfolios aus; er agiert also sehr zurückhaltend und ist dabei langfristig orientiert. Diese geringe Handelsaktivität ist allerdings nicht auf einen Mangel an Ideen zurückzuführen, sondern auf seine Überzeugung, immer nur die besten Unternehmen auszuwählen und an diesen dann festzuhalten.
Auch in einem anderen Charakterzug folgt er einem legendären Investor, nämlich Philip Carret, dem Gründer des Pioneer Fonds.
"Ich habe nicht genug Gefühl dafür, wann ich Bargeld anlegen soll, deshalb ist unser gesamtes Vermögen immer in Aktien angelegt."
(Philip Carret)
Diesem Motto folgend ist Tom Russo stets mit 100 Prozent seines Anlagekapitals im Markt investiert. Er unterlässt jeden Versuch, den Markt zu timen und/oder Krisen vorwegzunehmen und setzt stattdessen auf die langfristige Wertschöpfungskraft der Börsen. Mit anderen Worten: er reitet den Zinseszinseffekt wie kaum ein zweiter. Und seine Performance über mehr als drei Jahrzehnte und mehrere Börsencrashs hinweg gibt ihm Recht!
Käufe und Verkäufe im zweiten Quartal 2019
Im zweiten Quartal hat Tom Russo überwiegend Aktien verkauft und dabei querbeet durch sein Depot gewildert. Er hat den Depotanteil der meisten Positionen zwischen 0,1 und einem Prozent reduziert und nur bei der Google-Mutter Alphabet ein bisschen zugekauft. Einzig beim britischen Spirituosen-Profi Diageo PLC hat er seinen Aktienbestand deutlicher reduziert.
Top Positionen zum Ende des zweiten Quartals 2019
Auf dem Spitzenplatz steht weiterhin der Zahlungsdienstleister Mastercard mit einem Depotanteil von 13,9 Prozent. Die Aktien hat Russo erstmals 2008 gekauft und in der Folge öfter aufgestockt. Die herausragende Kursentwicklung tat ihr übriges. In den letzten fünf Quartalen reduzierte Russo seine Mastercardposition um insgesamt gut ein Fünftel.
Auf Platz zwei folgt weiterhin Nestlé mit 10,5 Prozent Anteil und Warren Buffetts Berkshire Hathaway mit 9,7 Prozent. Hier muss man in Gedanken noch die zweite Position in deren Klasse B-Aktien hinzurechnen, die weitere 3,8 Prozent seines Depots ausmachen, so dass Berkshires Anteil an Russos Depot insgesamt 13,5 Prozent ausmacht und damit nur knapp hinter Spitzenreiter Mastercard rangiert. In Summe kommen diese drei bzw. vier größten Positionen auf einen Depotanteil von knapp 38 Prozent.
Mit Heineken, Pernod Ricard, Richèmont, Unilever, Philip Morris und AB-InBev folgen sechs Werte, die den Konsumgütern zuzurechnen sind, wenn wir den Tabakkonzern Philip Morris großzügig dazuzählen. Der Anteil defensiver Konsumwerte macht fast die Hälfte an Russos Depot aus, während auf Platz zwei die Financial Services mit 32,8 Prozent folgen. Es schließen sich die zyklischen Konsumerte an mit 10,9 Prozent und damit blieben die drei wichtigsten Sektoren in ihrer Gewichtung fast unverändert im Vergleich zum Vormonat.
Tom Russo setzt auf die Gelüste und begierden der Menschen und investiert bevorzugt in jene Unternehmen, die diese befriedigen. Denn auch in wirtschaftlich schweirigen Zeiten sind die Menschen nur unegrne bereit, ihre liebgewonnen Laster und Gewohnheiten zu ündern und in machen Bereichen auch gar nicht in der Lage dazu. Windeln für die Kinder, Zigaretten, Alkohol da kann man sich schwer einschränken. Und dann setzt Tom Russo stark auf Luxusanbieter, denn der weltweit zunehmende Wohlstand und der aufstrebende Mittelstand in China, Indien aber auch in Afrika hat ein großes und steigendes Verlangen nach Statussimbolen, um ihren Erfolg zu genießen und zu zeigen.
Aktie im Fokus: Compagnie Financiere Richèmont SA
Der Schweizer Luxusgüterkonzern konzentriert sich auf die vier Segmente Schmuck, Uhren, Accessoires und Mode. Zu seinen bekanntesten Marken gehören Cartier, Van Cleef & Arpels, IWC, Jaeger-LeCoultre, Piaget, Baume & Mercier, A. Lange & Söhne, Montblanc, Dunhill oder Chloé.
Lange Zeit schwammen die Genfer auf einer Erfolgswelle, weil insbesondere die aufstrebende Mittelschicht in China und die neuen Reichen in Russland ihren großen Nachholbedarf an exklusiven westlichen Luxusgütern entdeckten und ihre neu gewonnen gesellschaftlichen Status durch den Kauf von Luxusartikeln auch zeigen wollten.
Selbst die Finanzkrise erwies sich nur als vorübergehende Delle und Richèmont nutze sie geschickt, um durch den Zukauf weiterer exklusiver Marken sein Portfolio an Luxusmarken weiter auszubauen. Das wird sich auch unter dem noch recht neuen Unternehmenschef Jérôme Lambert nicht ändern, der von der Richèmont -Tochter Montblanc in die Konzernzentrale aufstieg.
Cartier ist das Maß der Dinge
Kernmarke des Konzerns ist der Schmuckhersteller Cartier. Und dieses "Maison", wie Richèmont seine Konzerngesellschaften nennt, brummt. Der Umsatz im Schmucksegment, das neben Cartier auch die Marke Van Cleef & Arpels umfasst, stieg im ersten Quartal seines Geschäftsjahres 2019/2020 per Ende Juni um sieben Prozent auf fast 1,8 Milliarden Euro. Unerfreulich ist hingegen, dass Richèmonts Mode-Chef Eric Vallat nach nur einem Jahr das Feld räumt und als neuer CEO zu Rémy Cointreau wechselt.
Die Uhrensparte kränkelt allerdings und ihr Umsatz (ohne Cartier-Uhren) sank um zwei Prozent auf 823 Millionen Euro. Hier spürte Richèmont die Zurückhaltung der Großhändler, die nach den Erfahrungen des Vorjahres ihre Bestände nur moderat aufstockten, um nicht erneut auf zu viel Luxusware sitzen zu bleiben, sollten die zahlungskräftigen Käufer ausbleiben. Die Zahlen der Schweizer Uhrenexporte aus dem August dürften daher Balsam für die Seele gewesen sein, denn die lagen um rund zehn Prozent über den Erwartungen.
Unterm Strich war Richèmont jedoch sehr erfolgreich im ersten Quartal und setzte mit 3,74 Milliarden Euro knapp neun Prozent mehr um. Wobei diese Zuwächse nicht alleine organisch waren, sondern auch auf Akquisen weiterer Edelmarken zurückzuführen sind.
Wachsende Herausforderungen
Der chinesische Markt ist inzwischen mit einem Umsatzanteil von rund 40 Prozent der wichtigste für Richèmont. Das Unternehmen und die Anleger blicken daher immer auch mit mindestens einem Auge auf die Entwicklungen im Reich der Mitte.
Denn auch in der glitzernden Welt der Schönen und Reichen ziehen ab und zu Gewitterwolken auf und trüben die Stimmung. So entschloss sich vor einigen Jahren die chinesische Regierung, den Kampf gegen die Korruption ernsthafter anzugehen und stellte das Annehmen von Geschenken durch Beamte unter drakonische Strafen. Und dies hatte spürbare Folgen für die Luxusgüterhersteller, denn bis dahin waren teure Geschenke wie Cognac oder Uhren gefragte Präsente für den Beamtenapparat.
Des Weiteren gibt es seit mehr als einem Jahr Ängste hinsichtlich einer konjunkturellen Abkühlung in China und auch der sich hinziehende Handelskrieg mit den USA erschwert die Geschäfte. Und auch die anhaltenden Proteste in Hong Kong bringen weitere Sorgenfalten mit sich, denn Hong Kong ist für die Schweizer Uhrenindustrie inzwischen der weltweit wichtigste Absatzmarkt.
Doch jenseits konjunktureller und politischer Risiken lauern weitere Herausforderungen, denen sich das Unternehmen stellen muss. Wie der Erfolg der Wearables. Unternehmen wie Fitbit haben die kleinen Helferlein fürs Handgelenk salonfähig gemacht, doch vor allem der Einstieg von Apple mit seiner Apple Watch im Hochpreissegment setzt der Uhrenindustrie schwer zu. Denn die Apple Watch wurde in der jüngsten Generation nicht nur um wichtige Gesundheitsfunktionen erweitert, sondern kann auch losgelöst von einem Iphone genutzt werden. Dank ihres hohen Preises und dem hohen Stellenwert der Marke Apple steht sie damit in direkter Konkurrenz zum unteren Luxus-Uhrensegment. Und hat im Bereich der Wearables einen Marktanteil von weit über 50 Prozent und Apple verzeichnet in dem Segment deutliche Absatzerfolge.
Liegen Uhren noch im Trend der Zeit?
Die Uhrensparte bereitet Richèmont dann auch die größten Kopfzerbrechen. Die neben schwächelnden Umsätzen stehen vor allem die Ergebnisse unter Druck. So musste Richèmont im letzten Jahr erneut Uhren von Händlern und Großhändlern zurückkaufen, da diese nicht genug davon an den Mann bringen konnten.
Und Richèmont kauft sie dann zurück, damit sie nicht von den Händlern mit üppigen Preisnachlässen in den Markt gedrückt werden und so die Marke beschädigen können. Denn der Schutz der Marke hat natürlich für einen Luxusgüterkonzern oberste Priorität, so dass die Maßnahme unter diesem Aspekt sinnvoll ist, auch wenn sie bisweilen die Ergebnisse belasten.
Luxus goes Online
Und dann ist da noch das veränderte Konsumverhalten, das für die Luxusgüterhersteller Chance und Risiko zugleich ist. Denn gerade die kaufkraftstarken Millennials, die Generation Y, sind es gewohnt, online einzukaufen. Und es gab und gibt berechtigte Sorgen, ob sich denn auch Produkte im Wert von mehreren tausend Euro über das Internet verkaufen lassen, sowohl Uhren, als auch Schmuck oder Mode.
Nach Schätzungen von Morgan Stanley werden heute weltweit 88 Prozent aller Schweizer Uhren über Händler verkauft, doch bereits in zehn Jahren wird dieses Großhandelsgeschäft nur noch 48 Prozent ausmachen. Im Gegenzug soll der Absatz über Onlineshops von heute rund einem auf 25 Prozent anwachsen.
Richèmont ging und geht diese Herausforderung offensiv und strategisch an. So hat man vor einem Jahr die weltgrößte auf Luxusgüter spezialisierte Onlineplattform Yoox Net-A-Porter übernommen, die 2017 immerhin schon einen um 17 Prozent gesteigerten Umsatz von 2,1 Milliarden Euro erzielte. Des Weiteren übernahmen Richèmont den britischen Internethändler Watchfinder, der auf hochwertige gebrauchte Uhren spezialisiert ist. Damit haben die Schweizer nicht nur ein neues lukratives Geschäftsfeld aufgetan, sondern sich auch einen etablierten Vertriebsweg für ihre eigenen zurückgenommenen Uhren erschlossen. Über Watchfinder können sie selbst die Höhe der Preisnachlässe für ihren Überbestand an Luxusuhren und die angebotene Menge kontrollieren und laufen so nicht Gefahr, ihre eigenen Marken zu kannibalisieren.
China? Onlinehandel? Alibaba!
In China geht Richèmont notgedrungen einen etwas anderen Weg und startete ein Joint-Venture mit dem Onlinehandelsgiganten Alibaba. Das geht natürlich zulasten der üppigen Margen, denn diese muss man sich künftig mit Alibaba teilen. Dennoch dürfte der Schritt für Richèmont richtig sein. Denn in China ticken nicht nur die Uhren anders, alles funktioniert dort inzwischen mobil über Smartphones, Tablets und Apps. Wer hier nicht präsent ist, macht kein Geschäft (mehr). Und Richèmont hat nicht die Kapazitäten, hier auf eigene Faust durchzustarten.
Die Partnerschaft mit Alibaba bringt nicht nur einen großen Zeitvorteil mit sich gegenüber der Konkurrenz, sondern die Affinität der Chinesen zum mobilen Bezahlen zeigt sich auch bei ihren Auslandsbesuchen. Und die meisten von ihnen haben ein Konto bei der Alibaba-Tochter AliPay, so dass Richèmont dank der Joint Ventures mit Alibaba sich aus dem Stand heraus den Zugang zu Millionen und Abermillionen kaufkräftiger Chinesen gesichert hat. Und das nicht nur in China, sondern weltweit, denn die Chinesen sind Reiseweltmeister und lieben es, im Ausland zu shoppen. Wobei sie dort ihre gewohnten Zahlungsmethoden vorfinden und nutzen wollen, so dass immer mehr europäische und amerikanische Händler auch die Zahlungsoptionen chinesischer Zahlungsanbieter akzeptieren.
Hier zeigt sich ein weiteres Risiko der sich abschwächenden Konjunktur und des Handelskriegs mit den USA, da in dessen Folge die chinesische Währung an Wert verliert und damit die Kaufkraft der Chinesen im Ausland sinkt. Umso wichtiger ist es für Richèmont, diese kaufkräftige Kundschaft online zu erreichen und daher ist die Freude von Richèmont-Chef Jérôme Lambert verständlich, dass das Alibaba-Joint-Venture Ende September an den Start geht.
Chairman Rupert erklärte auf der Hauptversammlung sogar, er sehe Richèmont angesichts der geopolitischen Unsicherheiten in einer besseren Position als noch vor wenigen Jahren und zwar aufgrund der Wachstumsperspektiven der erworbenen Online-Luxusplattformen Yoox Net-A-Porter und Watchfinder.co. sowie der damit verbundenen Multi-Channel-Vertriebsstrategie.
Insbesondere die Zusammenarbeit mit Alibaba, die die Angebote von YNAP zu den chinesischen Konsumenten zu bringen soll, ist hier der Hoffnungsträger, auch wenn in den kommenden drei bis vier Geschäftsjahren noch erhöhte Investitionen in den technologischen Ausbau des Online-Händlernetzwerkes anfallen würde, die das Margenpotenzial begrenzen würden.
Da das Wachstum der Luxusbranche in den letzten anderthalb Jahren hauptsächlich von chinesischen Millennials getragen wurde, die inzwischen bei globalen Mega-Brands wie Louis Vuitton von LVMH, Gucci von Kering oder eben Cartier von Richèmont für 40 bis 60 Prozent der weltweiten Verkäufe verantwortlich sind, sollte man die sinkenden Margen nicht nur absolut bewerten, sondern sich an die von Warren Buffett so gern ins Feld geführten Opportunitätskosten erinnern. Denn in China nicht präsent zu sein, stationär wie online, ist keine Option. Und ein eigenes Händlernetz aufzubauen wäre sehr kostspielig. Auf einen stark positionierten Partner wie Alibaba zu setzen, kostet daher zwar Marge, aber es dürfte die aussichtsreichste Strategie sein, um die Umsätze und damit auch die Gewinne weiter anzukurbeln und keine Marktanteile an die Konkurrenz zu verlieren.
Die Aussichten für die Luxusartikelbranche sind weiterhin gut, sofern sich die Unternehmen den neuen Herausforderungen stellen und sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Richèmont hat sein Angebot durch gezielte Übernahmen immer weiter ausgebaut und durch seine Partnerschaft mit Alibaba in China frühzeitig und schnell seinen Fuß in die Tür gesetzt in seinem mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt. Im Rest der Welt geht man die Herausforderung, vor die der zunehmende Onlinehandel die Luxusgüterindustrie stellt, offensiv an und positioniert sich mit eigenen und etablierten Angeboten geschickt am Markt. Daher dürfte Tom Russo weiterhin völlig entspannt auf sein Investment bei Richèmont blicken und sich einfach nur über die Kurssteigerungen freuen und über die satte Dividende, die für das letzte Geschäftsjahr um mehr als 5 Prozent angehoben worden war und erst vor wenigen Tagen auf das Konto der Aktionäre floss.
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