Meister der Wechselkurse – Bill Lipschutz
Bill Lipschutz wurde 1956 in Famingdale im US-Bundesstaat New York geboren und wuchs auch dort auf. Bereits in der Schule schimmerte Lipschutz‘ quantitatives Talent durch; er war sehr begabt in Mathematik und bezeichnete das Schulfach als sein liebstes. Entgegen dieser Neigung schrieb sich Bill Lipschutz 1977 für den Studiengang Architektonisches Design an der Cornell Universität ein.
Seine ersten Erfahrungen an den Finanzmärkten sammelte der angehende Architekt Ende der 1970er Jahre. So verstarb seine Großmutter 1979 und hinterließ ihrem Enkel ein Wertpapierdepot im Wert von nahezu $12.000,00. Lipschutz liquidierte die Positionen und hatte somit Risikokapital, um sich selbst an den Märkten auszuprobieren. Sein Interesse an Wertpapieren wuchs täglich und so belegte er zusätzlich zu seinen Architekturkursen einige Wirtschaftskurse, die ihn mit dem nötigen ökonomischen Rüstzeug versorgten, um an den Märkten zu bestehen. Außerdem lernte er seine spätere Frau Lynelle Jones an der Cornell Universität kennen. Lynelle absolvierte zu dieser Zeit ein Praktikum für den sehr renommierten Wirtschaftswissenschaftler Henry Kaufman, der ebenfalls Chefökonom der legendären Investmentbank Solomon Brothers war. Als Lynelle eine Festanstellung zugesichert bekam, bewarb sich Bill auf ihre Stelle und bekam prompt eine Zusage, sodass er 1981 bereits als Praktikant für Kaufman bzw. Solomon Brothers tätig war. 1982 beendete Lipschutz sein Studium und bekam einen Bachelor in Architektur verliehen sowie einen MBA in Finance. Bisher kam er nie wieder mit der Architektur in Berührung.
Solomon Brothers
Im Mai 1982 begann Lipschutz dann seine legendäre Karriere als Vollzeitbeschäftigter bei Solomon Brothers. Die Wall Street Investmentbank mit der einmaligen Firmenkultur nahm jedes Jahr 120 Absolventen in ihr Ausbildungsprogramm auf und Bill Lipschutz war einer der Auserwählten. Aufgrund seiner Vorbildung und seines Praktikums wurde von ihm besonders viel erwartet, was Bill auch ohne Probleme erfüllte. So war er einer der besten seines Jahrganges und wurde zum Ende seiner Ausbildungszeit von mehreren Abteilungen heiß umworben. Letztlich entschied sich Lipschutz gegen etablierte Bereiche wie Aktien oder Anleihen und wurde Teil einer neugeschaffenen Abteilung: ausländische Währungen. Bis zu Beginn der 1980er Jahre war der Währungsmarkt von den großen Investmentbanken größtenteils ignoriert worden. Die Verantwortlichen bei Solomon Brothers starteten ein Pilotprojekt und stellten ein buntgemischtes Team zusammen, um zu prüfen, ob sich nicht in diesem Feld etwas Geld verdienen lässt. Mittels diverser Abendessen mit etablierten Währungshändlern der New Yorker Bankenlandschaft sowie der Try-and-Error-Methode erarbeiteten sich die angehenden Währungshändler von Solomon Brothers den nötigen Wissensfundus, um an den Forex-Märkten Geld zu verdienen. Und mittendrin Bill Lipschutz, der von sich behauptete, zu Beginn seiner Karriere nicht einmal gewusst zu haben, was eine Deutsche Mark sei. Lipschutz erkannte dennoch sehr schnell, wie der Hase an den Währungsmärkten lief: er betonte immer wieder, wie wichtig Beziehungen seien, um an den Forex-Märkten Geld zu verdienen. So werden Währungen hauptsächlich am Interbankenmarkt gehandelt und man bekommt schlichtweg größere Mengen Geld zu besseren Konditionen, wenn man seinen Gegenüber bei der anderen Bank kennt. Außerdem erfährt man im Austausch mit seinen Kollegen die Informationen, die letztlich den Markt bewegen.
Sein Aufstieg vollzog sich rasend schnell. So übernahm er 1988 mit gerade einmal 32 Jahren die Posten des Managing Director sowie des Global Head of Foreign Exchange. Allerdings war Lipschutz auf dieser Position nicht sehr glücklich, da er nicht mehr 100% seiner Zeit dem Trading widmen konnte, sondern auch viele administrative Tätigkeiten ausüben musste. Daher folgte 1990 der Abschied von den Solomon Brothers und der Beginn seines Ruhestandes im Alter von 34 Jahren. Schätzungen zu Folge erwirtschaftete Lipschutz bei Solomon jedes Jahr Profite jenseits der $300-Mio.-Marke.
Mit dem $12.000,00er-Depot hatte er übrigens nicht so viel Erfolg. Zwar erreichte das Depot zwischenzeitlich eine Größe von über $250.000,00, aber er verspielte Mitte der 1980er Jahre das komplette Kapital an nur einem einzigen Tag aufgrund eines zu großen Hebels. Seitdem investiert Lipschutz privat nur noch in sehr risikoarme Wertpapiere wie Staatsanleihen.
Selbstständigkeit
1991 verkündete Lipschutz dann seinen Rücktritt vom Rücktritt und gründete die Vermögensverwaltung Rowayton Capital Management. Er hatte natürlich den Posten des Präsidenten und des CEOs inne. 1995 musste die Vermögensverwaltung allerdings aufgrund eines Rechtsstreits mit Daiwa America Corporation geschlossen werden. Daraufhin gründete Lipschutz 1995 mit einigen Kommilitonen der Cornell-Uni den Hedge Fund Hathersage Capital Management, welcher sich auf Trades und Spekulationen in den G10-Währungen spezialisiert hat. Bill Lipschutz ist bis heute Vorstandsmitglied und Direktor des Portfolio-Managements.
Allerdings sieht er sich in seinem Handeln aufgrund der geringen Größe seiner Firma benachteiligt. Seiner Aussage zu Folge erhält man als großer Player zum einen eine höhere Kreditlinie bei Banken und kann zum anderen mit einem großen Engagement den Markt nachhaltig in eine Richtung beeinflussen.
Handelsstil
Wie gerade erwähnt mag es Lipschutz, große Wetten einzugehen. So fuhr der Währungsspekulant zu seinen Zeiten bei Solomon Brothers Positionen über mehrere Milliarden US-Dollar. Am liebsten handelt er Fehlpreisungen aufgrund von falschen Wechselkursberechnungen in einer Vielzahl von Produkten. Beim Aufbau von Positionen geht Lipschutz prozyklisch vor und baut sie stufenweise auf bzw. ab. Er plant jeden Trade bis ins letzte Detail durch, hat immer einen Exitplan parat und betreibt permanentes Monitoring seiner Positionen. Seine Strategien sind teilweise sehr kompliziert, da er hauptsächlich mit Optionen auf Währungspaaren arbeitet und nicht einfach nur long oder short geht, sondern meistens beides miteinander kombiniert und dabei mit verschiedenen Preisniveaus für die Calls und Puts arbeitet. Zur Risikokontrolle rät Bill Lipschutz, stets ein klares Bild über seine Lage zu bewahren, nicht zu viel Geld auf einen einzigen Trade oder mehrere korrelierende Trades zu setzen und immer das derzeitige CRV jedes einzelnen Trades zu kennen, den man gerade im Markt hat.
Zitate
- "Wenn die meisten Trader lernen würden, 50% der Zeit ihre Hände einfach stillzuhalten, würden sie eine Menge Geld verdienen."
- "Wenn du dich in einer Verlustserie befindest, dann wird deine Fähigkeit Informationen richtig zu analysieren und einzuordnen negativ vom schwindenden Selbstvertrauen beeinflusst; das ist ein Nebenprodukt einer Verlustserie. Es bedarf harter Arbeit dieses Selbstbewusstsein wieder her zu stellen."
- "Es ist extrem schwer, den größten Teil der Zeit anders als die Masse zu sein, jedoch ist es bei Definition genau das, was du machst, wenn du ein erfolgreicher Trader bist."
- "Richte dich immer nach dem momentanen Chance-Risiko-Verhältnis und nicht nach dem Ursprünglichen, als du den Trade eingegangen bist."
- "Ich glaube nicht, dass man ein durchgehend erfolgreicher Trader sein kann, wenn man mehr als 50% der Zeit darauf beharrt, Recht zu haben. Man muss herausfinden, wie man Geld verdient, wenn man nur 20-30% der Zeit Recht hat."
- "Eine Möglichkeit auszulassen ist genauso schlimm, wie auf der falschen Seite eines Trades zu stehen."
- "Nicht jeder interpretiert die Dinge so wie du, und schon gar nicht zur selben Zeit. Es ist wichtig, das zu verstehen."
- "Du musst den Newsflow verinnerlichen und wissen, was der Markt darin sieht."
- "Wichtig ist zu beurteilen, worauf sich der Markt in einem bestimmten Moment fokussiert."
- "Wenn ein großer Käufer auf den Markt kommt und diesen 4% nach oben treibt, ist das schon mal ein Vorteil."
- "Du willst keine Position in einem Markt halten, wenn du nicht weißt, was vor sich geht."
- "Ab einem bestimmten Zinsniveau würdest du jeder Bank Geld leihen."
- "Was die Leute als Bauchgefühl beschreiben ist wahrscheinlich besser als unterbewusste Markterfahrung zu betiteln."
- Über seinen ehemaligen Chef: "Er hatte keine Erfahrung mit Währungen. Seine Idee war, ein paar helle Köpfe zusammenzuwürfeln, herauszufinden wie dieses Forex-Zeugs funktioniert, die Leute traden zu lassen und zu gucken, ob die damit etwas Geld machen können."
- "Du solltest immer genau wissen, wo du stehst."
- "Konzentriere nicht zu viel von deinem Geld in einem großen Trade oder einer Gruppe von korrelierenden Trades."
- "Es reicht nicht, einfach nur eine Erkenntnis zu haben, die die Masse nicht hat. Du musst außerdem den Mut haben, danach zu handeln und dabei zu bleiben."