"Beamte haben was das Investieren angeht einen unschätzbaren Vorteil" - Der Beamteninvestor im Gespräch
Liebe Leser,
wenn Sie an Beamte denken, kommt Ihnen vielleicht eine sichere Pension und ein Leben ohne finanzielle Sorgen in den Sinn. Also warum sollte ein Beamter sein Geld am Aktienmarkt anlegen? Ben ist der Meinung, dass gerade Beamten riesige Vorteile bei der Geldanlage haben und hat sich bereits 2012 mit dem Thema beschäftigt. Aus seinem Interesse heraus ist der Instagram-Blog "Beamteninvestor" entstanden, auf dem Ben über seine eigene Geschichte an der Börse und über die spannendsten Themen am Kapitalmarkt berichtet. Mehr über Ben erfahren Sie in diesem Interview.
Hallo Ben, wer bist Du und was machst Du?
Hallo! Ich bin 37 Jahre alt und lebe mit meiner Frau und unserem kleinen Sohn im nördlichen Baden-Württemberg. Hauptberuflich arbeite ich in der Verwaltung einer Kommune und beschäftige mich ansonsten seit acht Jahren intensiv mit den Themen Börse und Investieren. Im Herbst 2019 habe ich den Instagram-Account "Beamteninvestor" gestartet, seit Anfang 2020 ist dann noch der gleichnamige Blog (www.beamteninvestor.de) dazugekommen.
Wie bist Du auf die Idee zu deinem Instagram-Blog gekommen?
Das Ganze ist mehr aus einer Laune heraus entstanden. Ich war in den Jahren zuvor vor allem in einschlägigen Facebook-Gruppen unterwegs. Dort habe ich aber immer mehr den Eindruck bekommen, dass der Ton untereinander nicht immer von Wertschätzung geprägt war. Vielmehr gab es oft gegenseitige Vorwürfe und teilweise auch Beschimpfungen.
Eher zufällig habe ich dann entdeckt, dass sich auch auf Instagram eine kleine aber feine Community an Finanzinteressierten gebildet hatte. Der Umgang war damals und auch heute wesentlich wertschätzender. Hier hilft man sich gegenseitig bei Problemen und Fragen und freut sich überwiegend ohne Neid für die Erfolge der Anderen.
Anfangs bin ich auch gar nicht auf die Idee gekommen, einen eigenen Account zu starten. Ich war der Meinung, dass ich zum Thema eigentlich nichts Neues beitragen kann, was es nicht schon gab. So ging es mir dann auch eher darum, mit dem Account in den Austausch mit Gleichgesinnten zu kommen, also anderen Personen aus dem öffentlichen Dienst, die wie ich ihr Geld am Aktienmarkt anlegen. Das Ganze hat dann relativ schnell eine Dynamik angenommen, mit der ich vorher niemals gerechnet hätte. Der Blog ist dann zusätzlich entstanden, um dort Themen ausführlicher behandeln zu können, für die Instagram nicht genügend Raum bietet.
Seit wann bist Du an der Börse aktiv und wie bist Du zur Börse gekommen?
Erstmalig aufgekommen ist das Thema bei mir im Jahr 2012. Meine Frau und ich hatten überlegt ein Haus zu bauen, haben das Thema zum damaligen Zeitpunkt dann aber wieder beiseitegeschoben. Durch eine hohe Sparquote und das Geld, das nun nicht für den Hausbau benötigt wurde, lag eine höhere fünfstellige Summe auf dem Konto. Ich wusste nicht, was ich damit machen soll, wollte es aber auch nicht ungenutzt liegen lassen. Die Frage war also, was man damit sinnvolles machen könnte. Ziemlich schnell kam ich dann auf das Thema Börse. Nachdem ich das erste Buch zum Thema gelesen hatte, hat es mich total gepackt und heute ist die Börse fester Bestandteil meines täglichen Lebens.
Man könnte meinen, dass Beamten aufgrund ihrer Pension das Investieren eher vernachlässigen. Welche Vorteile haben Beamte, was das Thema Börse angeht?
Das ist nach meiner Erfahrung auch tatsächlich der Fall. Zumindest ist mir aus meinem persönlichen Umfeld kein weiterer Beamter bekannt, der tatsächlich investiert. Grund ist hier vor allem die empfundene gute Absicherung durch die zu erwartende Pension. Dieser Gedankengang könnte sich aber als fatal herausstellen. Wer tatsächlich glaubt, dass Einschnitte nur zukünftige Rentner betreffen, nicht aber künftige Pensionäre, dem könnte ein böses Erwachen blühen. Auch hier müssen unweigerlich Einschnitte erfolgen um die staatlichen Haushalte nicht dauerhaft zu überlasten. In welcher Form diese erfolgen werden, wissen wir heute noch nicht. Man sollte sich aber auf jeden Fall darauf einstellen und entsprechend vorbereiten.
Beamte haben was das Investieren angeht tatsächlich einen unschätzbaren Vorteil: Ihr Job ist krisensicher. Sie werden auf Lebenszeit ernannt, auch in schlechten Wirtschaftsphasen müssen sie sich keine Sorgen um Jobverlust machen. Natürlich kann man sich darüber Gedanken machen, ob so etwas heutzutage noch zeitgemäß ist. Momentan gibt es diesen Vorteil aber und den kann bzw. sollte man dann entsprechend nutzen. Beamte können also auch in schlechten Börsenphasen investieren und laufen nicht Gefahr, das Depot zum denkbar schlechtesten Moment auflösen zu müssen, weil Geld benötigt wird.
Welche Strategie verfolgst Du an der Börse?
Angefangen habe ganz klassisch mit einem ETF-Portfolio in Anlehnung an das Musterportfolio von Gerd Kommer. Seit 2017 habe ich das Depot zum größten Teil auf regelmäßigen Cashflow ausgerichtet. Garniert wird das Ganze mit einem Teil an Wachstumsaktien, bei denen mir eine Dividende nicht wichtig ist. Den Anteil des Wachstumsteils möchte ich bei etwa 20 – 30 % des Gesamtdepots halten.
Bei Unternehmen, die eine Dividende zahlen kaufe ich gerne bei fundamentaler Unterbewertung ein. Hier achte ich während der Zeit des Depotaufbaus dann auch nicht unbedingt immer auf die Diversifikation innerhalb des Depots. Aus diesem Grund ist deshalb der Anteil an Tabakunternehmen zum Beispiel gerade hoch gewichtet.
Was Positionsgrößen angeht, ist bei Divdidendenaktien dann auch der Cashflow die maßgebliche Größe für mich und nicht der prozentuale Depotanteil. Eine volle Position habe ich erreicht, wenn ein Unternehmen 2.000 Dollar Bruttodividende im Jahr an mich zahlt. Ich rechne aus Vereinfachungsgründen in Dollar, da etwa 85 % meines Depots in US-Werten steckt. Diese Fokussierung auf den Cashflow hat für mich den Vorteil, dass bei Hochdividendentiteln schneller eine volle Positionsgröße erreicht ist und diese mit steigendem Depotvolumen automatisch ein geringeres Gewicht einnehmen, weil ich sie nicht mehr nachkaufe.
Was den Bereich Wachstumsaktien angeht, versuche ich besonders breit zu streuen. Eine festgelegte Ausstiegsstrategie verfolge ich hier nicht. Durch die breite Streuung gehe ich davon aus, dass zumindest der ein oder andere Treffer dabei sein wird, der sich kursmäßig vervielfacht. Da ich mich persönlich nicht in der Lage fühle, die Highflyer der nächsten Jahrzehnte zu erkennen, fühle ich mich mit diesem Ansatz sehr wohl.
Was hat dich zur Dividendenstrategie motiviert, welche Ziele strebst Du damit an?
Ich bin kein Anhänger der Markteffizienzhypothese, sondern der Ansicht, dass ein Großteil der Märkte zumindest kurz- bis mittelfristig stark psychologisch getrieben ist. Mich selbst nehme ich dabei nicht aus, auch wenn ich versuche, Emotionen soweit es geht aus dem Spiel zu lassen. Ich habe festgestellt, dass ich mit einem regelmäßigen Cashflow aus meinen Investments wesentlich besser schlafen kann. Auch in schlechten Börsenphasen kommt weiterhin Geld aufs Konto, auch wenn es natürlich nicht in jedem Fall eine Sicherheit dafür gibt. Die zu zahlende Steuer nehme ich in diesem Fall in Kauf. Zum zweiten ist mein Ziel, irgendwann nicht mehr auf ein Erwerbseinkommen angewiesen zu sein. Das heißt nicht, dass ich dann nicht mehr arbeiten werde, die Möglichkeit jederzeit aufhören zu können bedeutet aber Freiheit für mich.
Welche Learnings konntest Du aus deiner bisherigen Zeit an der Börse mitnehmen?
Das Spannende an der Börse ist, dass man mit dem lernen eigentlich nie fertig ist. Jeder Tag bringt wieder etwas Neues. Wichtig ist, aus den eigenen Fehlern zu lernen und diese nicht mehr zu wiederholen. Und Fehler habe ich wahrlich einige begangen. Das ging los vom zu starken Schielen auf die Dividendenrendite, bis hin zum Investieren in Unternehmen mit kleiner Marktkapitalisierung in schwierigen Branchen, die den Turnaround nicht geschafft haben. Auch wenn ich einiges an Verlusten einstecken musste, sind die Gewinne in den letzten acht Jahren glücklicherweise deutlich höher ausgefallen.
Das wichtigste Learning für mich: Lege dir eine Strategie zurecht, halte dich daran und ändere diese nicht dauernd. Eine Strategie ist nichts Statisches, es gibt immer wieder Nuancen, die man verändert, erweitert oder anpasst. Aber der große Plan sollte stehen. So hat man auch in schwierigen Zeiten einen Handlungsleitfaden für sich selbst.
Ich habe für mich festgestellt, dass ich die besten Ergebnisse erziele, wenn ich Unternehmen längerfristig im Depot halte. Das muss nicht für jeden passen, ich halte mich daran und verkaufe nur dann wenn die Geschäftsgrundlage wegfällt oder sich fundamental etwas bei einer Firma ändert.
Hast Du bestimmte Vorbilder was das Thema Börse betrifft?
Was das Thema langfristiges Investieren angeht, sind für mich Charlie Munger und Warren Buffett das Maß aller Dinge. Von beiden kann man sehr viel lernen und sehen, was mit Geduld möglich ist.
Was das nähere Umfeld angeht, ist auf jeden Fall Helmut Jonen ein Vorbild. Er ist auf Instagram unter dem Namen "waikiki5800" aktiv und hat das erreicht, wo ich selbst gerne mal hinmöchte. Er lebt seit mehreren Jahren von Dividendeneinnahmen und denkt ebenfalls sehr langfristig. Seinen Instagram-Account kann ich jedem ans Herz legen.
Welche Ziele hast Du für die nächsten 5 Jahre?
Was das Thema Börse angeht, möchte ich in den nächsten Jahren meiner Strategie weiterhin treu bleiben und langfristig investieren. Was irgendwann noch Thema werden wird, sind Investments in Mietimmobilien. Hier sind die Preise momentan aber fast durchweg hoch, ich habe da keine Eile. Mit Instagram und dem Blog möchte ich weitermachen wie bisher und lasse auf mich zukommen, was hier die nächsten Jahre noch passiert.
Vielen Dank für das Interview!