Der Niedergang der deutschen Autoindustrie. Wer ist eigentlich schuld?
Liebe Leser,
nahezu kein Tag vergeht, ohne dass deutsche Industriebetriebe den Abbau tausender von Stellen verkünden. Audi streicht 7.500 Stellen, Siemens baut 6.000 Stellen ab, VW will 35.000 Stellen abbauen und ZF Friedrichshafen ist in die roten Zahlen gerutscht und muss 14.000 Arbeitsplätze in Deutschland abbauen.
Gut bezahlte Industriearbeitsplätze verschwinden. Die Entlassenen werden in anderen Branchen keine ähnlich gute bezahlte Jobalternative finden. Ich bin südlich von Stuttgart aufgewachsen. Schichtarbeit bei Bosch, Porsche oder Mercedes war auch für gering Qualifizierte eine Chance auf einen guten Lohn und eine mittelständische Existenz mit eigenem Haus und regelmäßigen Urlauben.
Was ist nur falsch gelaufen?
In der Ära der VW-Chefs Winterkorn und später Müller kritisierte ich häufig die mangelnde Voraussicht der Automanager. Winterkorn sah noch keine Notwendigkeit, den VW-Konzern auf Elektromobilität auszurichten. Matthias Müller ist uns noch heute mit einem Video im Gedächtnis geblieben, wo er auf offener Bühne Teslas Ambitionen verspottete. Mich würde interessieren, wie er es heute wohl kommentiert, dass das Tesla Model Y zwei Jahre in Folge das weltweit am häufigsten verkaufte Auto wurde.
Und dann war da noch Mercedes-Chef Dieter Zetsche, der für die kurzfristige Optimierung von Quartalsergebnissen eine fast 10%ige Beteiligung an Tesla aufgab. Das Jahrzehnt 2010 bis 2020 steht für die Katastrophenjahre des deutschen Autokonzern-Managements. Nahezu alle wichtigen Weichenstellungen wurden falsch getroffen.
Meiner Wahrnehmung nach begannen dann ab etwa 2020 die verheerenden Eingriffe der Politik in die Autoindustrie, ihre Wirkung zu entfalten. Getrieben von der EU-Kommission wurden Strafzahlungen formuliert, die Konzerne für das Verfehlen von CO2-Flottenvorgaben würden bezahlen müssen.
Diese politische Bestrafungskultur führte dazu, dass traditionsreiche Marken wie Porsche oder Mercedes überhastet ihre Produktionsplanung komplett änderten. Elektroautos, die noch keine guten Produkte waren, wurden auf den Markt geworfen. Lange Ladezeiten und geringe Reichweiten hielten die Kundschaft auf Distanz. Schlimmer noch wiegte, dass profitable Produktionslinien vorzeitig abgeschrieben werden mussten, um die politischen Vorgaben zu erfüllen.
Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Politik den Autokonzernen etwas Unmögliches abverlangte. Nicht einmal der beste Manager hätte diese Aufgabe meistern können. Darum ist es auch keine Krise einzelner Marken, sondern eine Krise einer kompletten Industrie. Warum funktionierte es nicht?
Erstens sollte sich die Autobranche schnell transformieren, obwohl die Arbeitsgesetze das überhaupt nicht ermöglichen. Man kann in Deutschland nicht 10.000 Leute entlassen, weil man ein anderes Produkt bauen möchte. Entlassungen sind erst dann möglich, wenn die Krise schon da ist.
Zweitens sollte die Autoindustrie mit Newcomern aus USA und China konkurrieren, unter dem Zwang, dass profitable Fabriken frühzeitig dicht gemacht werden müssen und dass Strafzahlungen die finanziellen Spielräume einschränken. Das kann nicht funktionieren. Eine Innovationskultur benötigt finanzielle Spielräume und Aufmerksamkeit.
Fazit: Letzten Endes sind es politische Entscheidungen, die zum Niedergang der deutschen Autoindustrie führen.
Viele Grüße
Simon Betschinger
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