Liebe Leser,

Phil Town hat in dem Buch "Rule #1 Investing" seine Investment-Strategie veröffentlicht. Die Investment-Strategie orientiert sich an den Value-Investing-Lehren von Benjamin Graham und kombiniert qualitative und quantitative Faktoren der Aktien-Analyse. Laut Town könne man mit seinem Investmentansatz eine Rendite von 15 % pro Jahr erzielen. Die Strategie setzt sich aus den sogenannten 4 Ms zusammen: Meaning (= Bedeutung, Verständnis), Moat (= Burggraben, Wettbewerbsvorteil), Management (= Führung) und Margin of Safety (= Sicherheitsmarge).

Unter Meaning versteht Phil Town, dass man das Unternehmen vollumfänglich versteht. Das Verständnis des Geschäftsmodells und der -tätigkeit muss so weit gehen, dass man das Unternehmen komplett besitzen könnte. Town benutzt in diesem Zusammenhang den von Buffett geprägten Begriff des "wunderbaren Unternehmens". Wunderbare Unternehmen sind nicht von einem Kunden oder einem Lieferanten abhängig und haben Produkte, die nicht substituiert werden können oder durch Einstiegsbarrieren geschützt sind. Moat bedeutet, dass das Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil hat, der sich unter anderem anhand der Finanzkennzahlen herauslesen lässt. Die Finanzkennzahlen sind im Screening-Prozess eingebaut und werden von Town die "großen Fünf" genannt. Mögliche Burggräben können eine besonders gute Markenstellung, ein Patent/Geheimnis, hohe Wechselkosten für den Endkunden, die Kontrolle über einen Markt, Preismacht und vieles mehr sein. Durch einen Burggraben lässt sich außerdem die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz reduzieren. Dieser Fakt spielt für Town ebenfalls eine Rolle, da er im Optimalfall eine Aktie sein ganzes Leben lang halten möchte. Das dritte M, Management, wird anhand von zwei Faktoren evaluiert. Zum einen sollte das Unternehmen inhabergeführt sein. Das bedeutet, der CEO hat einen überwiegenden Teil seines Privatvermögens in Aktien des Unternehmens investiert und verzichtet bestenfalls auf Aktienbezugsrechte. Zum anderen braucht der CEO ein "BAG – Big Audacious Goal". Town bevorzugt CEOs wie beispielsweise Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Steve Jobs, da diese nicht aufgrund des Geldes ein Unternehmen gegründet haben, sondern eine Vision verfolgen und demensprechend deutlich motivierter sind. Mit Margin of Safety meint Town, dass er Unternehmen nur unter ihrem intrinsischen Wert kauft. Dafür ermittelt er den fairen Wert der Aktie und setzt eine Margin of Safety von 50 % an. Die Berechnung der Margin of Safety und des fairen Werts nach Phil Town werde noch erläutert.

Die "großen Fünf" sind der Return on Invested Capital (ROIC) und die Wachstumsrate des Umsatzes, des Gewinns, des Eigenkapitals und des Free Cashflows. Phil Town nutzt die Wachstumsraten für den Umsatz, Gewinn und Free Cashflow, um zu ermitteln, ob das Wachstum des Unternehmens abschwächt oder stabil bleibt und ob der generierte Umsatz tatsächlich als Gewinn oder frei verfügbarer Cashflow im Unternehmen bleibt. Der Return on Invested Capital bewertet, wie effizient das Unternehmen eigenes oder geliehenes Kapital einsetzt. Da sich der Unternehmenswert am Eigenkapital eines Unternehmens orientiert, möchte Town zusätzlich Eigenkapitalwachstum beobachten können. Die großen Fünf werden von Town auf Sicht von einem, fünf und zehn Jahren berechnet. Jede Wachstumsrate/Kennzahl sollte dabei höher als 10 % und möglichst stabil sein. Wenn dies der Fall ist, kann man sich fast sicher sein, dass ein Unternehmen einen Burggraben/Wettbewerbsvorteil besitzt.

So berechnet Phil Town den Einstiegs-Preis einer Aktie

Die Berechnung des intrinsischen Werts und des Einstiegs-Preises unter Einbezug der Sicherheitsmarge ist nach der Rule #1 Investing-Strategie sehr simpel. Es werden insgesamt vier Faktoren benötigt:

1. Trailing Twelve Months EPS (TTM)
2. Geschätztes 10-jähriges EPS Wachstum (g)
3. Geschätztes zukünftiges KGV in 10 Jahren
4. Minimale Renditeanforderung: 15 % (Diskontierungszinssatz)

Das EPS (TTM) und die minimale Renditeanforderung in Höhe von 15 % sind bereits gegeben. Das 10-jährige Gewinnwachstum wird über zwei Methoden bestimmt. Zum einen wird das historische Eigenkapitalwachstum, welches bereits bei der Bestimmung der großen Fünf berechnet wurde, herangezogen. Da sich der Wert einer Aktie am Eigenkapitalwachstum orientiert, wird jenes zur Bestimmung des zukünftigen Gewinnwachstums herangezogen. Um die Schätzung zu verifizieren, wird diese mit den Analysten-Schätzungen verglichen. Die konservativere Schätzung wird als Wachstums-Schätzung für den Gewinn herangezogen. Um das zukünftige KGV in 10 Jahren zu schätzen, gibt es ebenfalls zwei Methoden. Die Daumenregel besagt, dass das zukünftige KGV beim Zweifachen der zukünftigen 10-jährigen Wachstumsrate liegt (8 % geschätztes Gewinnwachstum entspricht einem KGV in 10 Jahren von 16). Um das Ergebnis zu bestätigen, wird es mit dem historischen KGV verglichen. Die niedrigere KGV-Schätzung wird für die Berechnung des Einstiegs-Preises herangezogen. Das Schaubild verdeutlicht die Bestimmung der Kennzahlen:

Die ermittelten Kennzahlen können dann in die Formel eingesetzt werden. Mit dieser lässt sich der Preis berechnen, unter welchem Phil Town einsteigen würde. Wichtig: Die Sicherheitsmarge in Höhe von 50 % ist in dieser Formel bereits enthalten!

Fazit - Towns Kriterien reduzieren das Anlage-Universum auf Qualitätsaktien!

Das Interessante an der Rule #1 Investing-Strategie ist, dass die Treffermenge durch ein Screening der großen Fünf enorm reduziert werden kann. Mit den Town-Kriterien (jeweils mehr als 10 %) werden kaum noch Treffer angezeigt. Schwächt man die Kriterien allerdings auf größer als 5 % ab, wird das Anlage-Universum auf wenige attraktive Investment-Möglichkeiten reduziert. Von den 200 volumenstärksten deutschen Aktien erfüllen nur drei Aktien die 5 %-Kriterien. Wenn man nach den 2000 volumenstärksten US-Aktien screent, erfüllen nur 37 Aktien die 5 %-Kriterien. Die Treffermenge lässt sich weiter reduzieren, indem man das Unternehmen und das Management im Detail analysiert und den Einstiegspreis mit Sicherheitsmarge ermittelt.

Beispiel-Screening: Bechtle AG

Das Screening nach den Kennzahlen lässt sich mit dem TraderFox Tool aktien RANKINGS durchführen. Dieses basiert auf einer Morningstar-Datenbank mit mehr als 15.000 amerikanischen und europäischen Aktien. TraderFox hat bereits ein Template angefertigt, welches die Phil Town Kriterien beinhaltet. Im deutschen Anlage-Universum erfüllen vier Aktien die Kriterien von Phil Town - eine davon ist die Bechtle AG. 

Der Bechtle-Vorstandsvorsitzende Thomas Olemotz ist ein Visionär. Er prognostiziert, dass Bechtle die Marke von 10 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2030 überschreiten wird. Olemotz ist bereits seit 2009 der Vorstandsvorsitzende von Bechtle und hat operativ einen beachtlichen Job gemacht. Eventuell wird er sogar derjenige sein, der das Unternehmen zu diesem Meilenstein führt. Die operative Effizienz spiegelt sich auch in den Kennzahlen von Bechtle wieder. Diese zeigen, dass sich Bechtle definitiv einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet hat - vermutlich durch die Spezialisierung auf öffentliche Auftraggeber im IT-Bereich. In den letzten fünf Jahren ist der Umsatz des Unternehmens um 15,81 % gestiegen. Der Gewinn ist im selben Zeitraum um 17,47 % gewachsen. Das KGV der Bechtle-Aktie liegt derzeit bei 43,6, das KUV liegt bei 1,4. Die Aktie ist besonders interessant, da 33,9 % des Umsatzes mit öffentlichen Auftraggebern generiert wird. Während des Lockdowns wurde klar, dass die Verwaltung digitalisiert werden muss, weshalb bereits die finanziellen Mittel für dieses Vorhaben bereitgestellt wurden. Bechtle dürfte von der Digitalisierung der Verwaltung besonders profitieren und aufgrund langfristiger Kundenbeziehungen auch neues Wachstum stimulieren können. 

Tipp: Mithilfe der TraderFox Tools könnt ihr eine komplette Analyse nach Phil Town durchführen. In dieser Kurzvorstellung wurde bereits deutlich, dass Bechtle zumindest die Punkte Management und Moat erfüllt. Ihr könnt selber ermitteln, ob die Aktie eine Bedeutung (Meaning) für euch hat. Außerdem könnt ihr mit den gegebenen Formeln den fairen Wert nach Phil Town (Margin of Safety) berechnen. Mit dem Morningstar-Datenpaket habt ihr Zugriff auf die Analysten-Schätzungen und könnt diese mit dem Eigenkapitalwachstum der letzten Jahre vergleichen, um die EPS-Wachstumsrate zu schätzen. Wenn ihr diesen Vorgang für mehrere Aktien wiederholt, habt ihr eine Liste mit möglichen Einstiegspreisen. Fällt eine Aktie unter den Einstiegspreis, könnt ihr eine neue Position in eurem Portfolio aufbauen!