Steht uns ein Stresstest an den US-Märkte bevor? Was sagen die psychologischen Indikatoren zur aktuellen Lage?
Die US-Märkte haben sich seit Anfang Januar von ihrer ganz starken Seite gezeigt. Die Nasdaq konnte im Hoch um knapp 13% zulegen, und schaffte es am vergangenen Freitag nach zehn Monaten wieder über den gleitenden 200 Tage Durchschnitten (siehe folgende Abbildung). Der S&P 500 legte seit Jahresauftakt um knapp 8% zu und befindet sich seit einer guten Woche über seinem gleitenden 200 Tage Durchschnitt.
Quelle: desk.traderfox.com
Werden die US-Märkte nach dieser Rallye nun einen Stresstest erleben? Werfen wir einen Blick auf einige psychologische Indikatoren. Diese Art der Indikatoren bringt das Sentiment des Marktes zum Ausdruck, d. h. sind die Marktteilnehmer bullisch, neutral oder bärisch eingestellt. Natürlich geben die Indikatoren keine definitive Aussage darüber, ob wir uns vor einem möglichen Stresstest befinden. Sie geben aber eine gute Tendenz.
NAAIM-Expositionsindex
Den Auftakt macht der NAAIM Exposure Index. Die Abkürzung NAAIM steht für "National Association of Active Investment Managers". Dieser Index stellt das durchschnittliche Engagement an den US-Aktienmärkten dar, das von den Managern gemeldet wird. Das Hauptziel der meisten aktiven Manager ist es, das Verhältnis von Risiko zu Rendite am Aktienmarkt zu steuern und jederzeit auf dem Laufenden zu bleiben, wie der Markt agiert. Dieser Index gibt also Einblick in die tatsächlichen Anpassungen, die aktive Risikomanager in den letzten zwei Wochen in den Konten der Kunden vorgenommen haben. Die blaue Linie in der folgenden Abbildung zeigt einen zweiwöchigen gleitenden Durchschnitt der Antworten der NAAIM-Manager.
Quelle: https://www.naaim.org/programs/naaim-exposure-index/
Aktuell befinden wir uns auf einem lokalen Hoch. Mit 75,23 nimmt der Index den höchsten Wert seit Mitte April 2022 ein. Folglich sehen wir relativ viel Exposure, was für ein hohes Maß an Zuversicht unter den Investment Managern steht. Dies könnte einen Stresstest der US-Märkte in der näheren Zukunft implizieren.
AAII-Indikator
Als zweites folgt der AAII-Indikator. Hierbei steht AAII für "American Association of Individual Investors". Der AAII-Indikator bzw. die AAII-Umfrage befragt Privatanleger, wohin sich der Markt in den nächsten sechs Monaten bewegt. Historisch gesehen liegt der Wert für bullisch bei 37,5%, für neutral bei 31,5% und für bärisch bei 31%.
Quelle: https://www.aaii.com/sentimentsurvey
Die Werte der vergangenen Woche belaufen auf 28,4% (bullisch), 35% (neutral) und 36,7% (bärisch).
Der bullische Wert hat sich von den Tiefständen Ende 2022, als er bei 20,3% stand, deutlich nach oben bewegt. Er bleibt aber auch die 56. Woche in Folge unter seinem historischen Durchschnitt von 37,5 %. Gleichzeitig ist zu betonen, dass er sich die zweite Woche in Folge nicht mehr auf einem ungewöhnlich niedrigen Niveau befindet. Verglichen mit der Woche vom 18.01. hat er leicht abgenommen. Die Woche vom 18.01. stellt auch ein neunwöchiges Hoch dar.
Der neutrale Wert hat gegenüber Woche vom 18.01. ebenfalls leicht abgenommen. Er befindet sich aber weiterhin über dem historischen Durchschnitt. Der bärische Wert lag Ende 2022 bei 52,3%! Er konnte sich seitdem deutlich verringern. Dies ist das erste Mal seit August 2022, dass der Pessimismus (bärische Wert) in drei aufeinanderfolgenden Wochen unter 40 % liegt. Das steht für weniger Pessimismus. Allerdings liegt die bärische Stimmung zum 59. Mal in den letzten 62 Wochen über ihrem historischen Durchschnitt von 31,0 %.
Die Ergebnisse der jüngsten AAII-Stimmungsumfrage zeigen somit, dass sich die positive Stimmung (also die Erwartungen, dass die Aktienkurse in den nächsten sechs Monaten steigen werden) für die nächsten sechs Monate aufgehellt hat. Ein Stresstest der Aktienmärkte lässt sich heraus nicht ableiten.
Angst und Gier Index
Als dritter folgt der sogenannte "Fear and Greed Index" (Angst und Gier Index). Dieser wird von CNN Business erhoben und ist vermutlich einer der bekanntesten. Er kann Werte zwischen 0 und 100 annehmen, wobei 0 für extreme Angst steht und 100 für extreme Gier. Dieser Indikator wird aus sieben Sub-Indikatoren ermittelt. Hierunter fallen u. a. neue 52 Wochenhochs vs neue 52 Wochentiefs, Marktvolatilität und Put/Call Ratio.
Quelle: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed
Per 30.01.202 steht der Indikator bei 69. Damit befindet er sich im Bereich "Gier". Dies ist der höchste Wert seit knapp sechs Monaten. Innerhalb eines Monats ist der Index 37 (="fear") auf 69 geschossen. Eine Konsolidierung bzw. ein Pullback in den Märkten, was einen Rücksetzer bei dem Fear & Greed Index bedeuten sollte, wäre normal. Wir könnten also einen kleineren Stresstest erleben.
Marktvolatilität (VIX)
Die Marktvolatilität (VIX) stellt den vierten Indikator dar. Die ist ein Sub-Indikator des Fear and Greed Index. Die Berechnung des VIX ist komplex. Kurz zusammengefasst: Es wird die erwartete Volatilität auf Jahressicht berechnet, indem der Durchschnitt der gewichteten Preise von Out-of-the-money-Puts und -Calls für den S&P 500 in Echtzeit gebildet wird. Um die Tagesvolatilität zu berechnen, muss man den VIX durch 16 teilen (16 entspricht ungefähr der Wurzel von 252, wobei 252 für die Anzahl an Trading-Tagen pro Jahr steht). Beispiel: Wenn der VIX einen Wert von 32 aufweist, dann beläuft sich die erwartete Tagesvolatilität des S&P 500 auf 2%. Dies wäre relativ volatil und wäre ein Anzeichen von Angst im Markt.
Quelle: https://bigcharts.marketwatch.com
Der VIX nimmt aktuell einen Wert von knapp 20 ein. Dies steht für wenig Volatilität und viel Zuversicht. Wenn man sich den Chart des VIX der letzten 12 Monate anschaut, dann fällt auf, dass er bei einem Wert von ca. 20 oftmals nach oben schoss. Dies waren die Momente, als die Märkte in 2022 weiter eingebrochen sind. Der Vix zeigt uns somit auf, dass ein Stresstest bevorstehen könnte.
Put/Call Ratio
Der Put/Call-Ratio ist der fünfte Indikator, der vorgestellt werden soll. Er ist ebenfalls ein Sub-Indikatoren des Fear and Greed Indexes. Der Put/Call-Ratio ist ein konträrer Stimmungsindikator, der dabei hilft, größere und kurzfristige Markttiefs zu bestimmen. Er wird berechnet, indem die Anzahl der gehandelten Put-Optionen durch die Anzahl der gehandelten Call-Optionen dividiert wird. Man sagt, dass in einem Bullenmarkt dieses Verhältnis meistens einen Wert von unter 0,7 aufweist. Die Begründung dafür liegt darin, dass Investoren zuversichtlich sind und somit eher auf der Call-Seite aktiv sind. In einem Bärenmarkt weist das Verhältnis meistens eine Zahl von über 0,7 auf, weil das gehandelte Volumen auf der Put-Seite größer ist. Denn Investoren kaufen Versicherung, um sich nach unten abzusichern.
Quelle: https://ycharts.com/indicators/cboe_equity_put_call_ratio
Aktuell nimmt der Put/Call Ratio den Wert 0,51 ein. Dies ist der niedrigste Wert seit Mitte August. Damals hatte es der S&P 500 gerade über den gleitenden 200 Tage Durchschnitt geschafft. Danach machte der S&P 500 jedoch neue Tiefstände. Der Put/Call Ratio zeigt uns somit, dass ein Stresstest nicht unwahrscheinlich wäre.
Fazit
Die meisten hier vorgestellten psychologischen Indikatoren zeigen auf, dass ein Stresstest in der näheren Zukunft nicht unwahrscheinlich ist. Die Märkte scheinen sich in einem (leicht) überkauften Zustand zu befinden. Die Zinsentscheidung und der Konferenz der FED am kommenden Mittwoch sowie die etlichen Quartalsberichte der großen Tech-Unternehmen in dieser Woche werden uns vermutlich weiteren Aufschluss geben.