Das sind die bei einem russischen Einmarsch in die Ukraine besonders gefährdeten europäischen Aktien
Aufklärung über Eigenpositionen: Diese Aktien aus dem Artikel halten TraderFox-Redakteure aktuell
Die Angst vor einer Eskalation beim schwelenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine treibt auch die Börsianer um. Die Aktien von europäischen Unternehmen mit geschäftlichem Bezug zu Russland und der Ukraine stehen dadurch derzeit besonders stark im Mittelpunkt des Anlegerinteresses. TraderFox präsentiert deshalb eine Liste mit Gesellschaften aus Europa, die durch ihr Engagement in Russland oder in der Ukraine gefährdet erscheinen. Zudem berichten wir, was regional betrachtet bei Sanktionen an Wachstumseinbußen drohen und wie abhängig die EU von den russischen Energielieferungen ist.
Immer mehr Menschen in Deutschland macht der von Russland angezettelte Konflikt mit der Ukraine große Sorgen. Schon jetzt sagen einige von ihnen, beim Gedanken an einen Krieg in Europa nicht mehr ruhig schlafen zu können.
Die Meldungen vom Wochenende dürfte so gesehen den Absatz von Schlaftabletten weiter in die Höhe getrieben haben. Denn laut Berichten wie etwa von der dts Nachrichtenagentur unterstellt die NATO Russland sogar Pläne für eine totale Invasion der Ukraine. Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär jedenfalls sagte am Samstag den ARD-Tagesthemen: "Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Russland einen vollständigen Angriff auf die Ukraine plant".
Energie - EU hängt an russischen Lieferungen
Kein Wunder also, dass auch die Börsianer zusehends nervös werden. Schließlich reichen die im Kriegsfall angedrohten harten Sanktionen gegen Russland voraussichtlich bereits aus, um massiven wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Laut Berechnungen der Rabobank droht der russischen Wirtschaft dann ein Minus von 5,2 %. Das US-Wachstum würde demnach um 1,0% gemindert und das des Euroraums um 1,7 %. Chinas Wachstum fiele um 1,9 % niedriger aus und das von Indien sogar um 2,1 %.
Denkt man primär an Europa, dann besteht das Problem nicht in erster Linie darin, dass Russland als Exportmarkt ausfallen könnte, auch wenn das Land durchaus ein wichtiger Absatzmarkt insbesondere für deutsche Produkte ist. Der Punkt ist laut Commerzbank vielmehr, dass Russland bei einigen entscheidenden Importen der wichtigste Lieferant der EU ist, der nicht oder jedenfalls nicht rasch ersetzt werden kann.
Hier steht seit einigen Monaten Erdgas im Zentrum des Interesses. Russland liefert rund 45 % der gesamten Erdgaseinfuhren der EU – und die Erdgasspeicher in der EU sind aktuell nur noch zu knapp 35 % gefüllt. Daneben ist Russland für die EU auch ein wichtiger Lieferant von Rohöl und von Kohle. So stellte Russland 2019 nach Angaben der EU-Kommission 47 % der Steinkohleimporte der EU, bei Erdöl immerhin 27 %.
Ein Ergebnis im Rahmen einer einfachen Szenario-Berechnung der Commerzbank lautet vor diesem Hintergrund sowie unter der Annahme von sonst unveränderten Rahmenbedingungen und einem von Russland zugedrehten Gashahn für die EU wie folgt: Der EU würden dann im Monat etwa gut 12 Mrd. Kubikmeter an Pipeline- und knapp 1,5 Mrd. Kubikmeter an LNG-Importen fehlen. Diese Lücke müsste aus den Vorräten geschlossen werden. Aktuell enthalten die Gasspeicher 33,2 Mrd. Kubikmeter Erdgas, womit sie zu 33 % gefüllt sind. Würde man dieses Gas komplett entnehmen, so ließen sich damit rein rechnerisch die russischen Lieferungen für 2,5 Monate ersetzen.
Ein Ergebnis, das erschreckend ist und zwangläufig zur Frage führt, wer politisch gesehen dafür verantwortlich ist, dass die EU bei einem sehr wichtigen Punkt wie der Energieversorgung viel zu sehr auf einen unsicheren Kantonisten wie Russland setzt.
Europäische Unternehmen mit geschäftlichem Bezug zu Russland und der Ukraine sind gefährdet
Abgesehen davon gibt es natürlich auch etliche europäische Unternehmen, die relativ eng mit Russland verbunden sind. Diesen Gesellschaften droht nach den deswegen bereits erlittenen Verlusten im Falle einer Invasion voraussichtlich weiteres Ungemach.
Kein Wunder also, dass die Marktteilnehmer jene Titel kritisch beäugen, die in dieser Hinsicht im Kreuzfeuer stehen. Als besonders gefährdet gelten dabei unter anderem Banken, Öl, Bergbau, Konsumgüter und Baumaterialien sowie Unternehmen, die in Russland und der Ukraine engagiert sind.
Mit diesem Thema beschäftigten sich auch die Analysten der Citigroup. Deren Angaben zufolge hat ein Aktienkorb mit europäischen Unternehmen mit Russland-Engagement in Zeiten erhöhter Spannungen, wie 2014 und 2018, nach westlichen Sanktionen gegen Russland unterdurchschnittlich abgeschnitten.
Die Citigroup-Liste mit Russland- und Ukraine-gefährdeten Unternehmen aus Europa im Überblick
Quelle: Citigroup, Reuters
Auf der oben abgebildeten Liste stehen rund 40 europäischen Aktien, die in Russland und der Ukraine engagiert sind. Darunter befinden sich unter anderem die Getränkehersteller Carlsberg und Coca Cola, die 13 % bzw. 15 % ihres Umsatzes in Russland machen, der Nivea-Hersteller Beiersdorf und der französische Lebensmittelriese Danone, der rund 6 % seines Umsatzes in Russland erzielt, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.
Zu den europäischen Aktien, die in der Ukraine engagiert sind, gehört laut Citigroup der in London notierte Eisenpellethersteller Ferrexpo, der sein gesamtes Geschäft in dem Land hat.
Den Analysten von Jefferies zufolge beschäftigt das französische Videospielunternehmen Ubisoft 4 % seiner Mitarbeiter in der Ukraine, während der in Schweden ansässige Anbieter von Gesundheits- und Diagnosedienstleistungen Medicover 8,5 % seines Umsatzes in dem Land erzielt.
Quelle: Qualitäts-Check TraderFox
Laut JP Morgan sind europäische Banken mit lokalen Niederlassungen in Russland im Falle einer weiteren Eskalation am stärksten den Risiken ausgesetzt, die sich aus möglichen Sanktionen ergeben, so Reuters.
Die österreichische Raiffeisen Bank International erwirtschaftete im vergangenen Jahr 39 % ihres geschätzten Nettogewinns mit ihrer russischen Tochtergesellschaft, während die ungarische OTP, UniCredit und Societe Generale zwischen 6 % und 7 % ihres Umsatzes in Russland erzielten.
So lange der Konflikt nicht gelöst ist, steht zu befürchten, dass die Aktien der geschäftlich davon negativ betroffenen Unternehmen den Gesamtmarkt oder zumindest ihre jeweiligen Branchen-Vergleichsmaßstäbe vermutlich nicht werden schlagen können. Bei einer Entspannung könnte sich dafür wieder deutlicheres Erholungspotenzial ergeben.