4 Punkte zur Berichtssaison, die jeder CANSLIM-Trader wissen sollte
Liebe Leser,
wir befinden uns wieder inmitten einer neuen Saison der Quartalsberichte. Die ersten Unternehmen haben ihre neuen Geschäftszahlen bereits präsentiert und die Aktienkurse deutlich bewegt. Doch worauf gilt es als Trader eigentlich zu achten? Welche Zahlen bewegen die Aktienkurse? Worauf achten institutionelle Investoren? Und was müssen wir als Trader wissen?
Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Punkte zu den kommenden Quartalsberichten, die jeder gute Trader kennen und beachten sollte. Wir nehmen hierfür die Sichtweise eines CANSLIM-Traders ein, der nach Vorbild von William O’Neil nach Chart-Breakouts bei den stärksten Wachstumsaktien sucht.
Darüber hinaus sind die Punkte jedoch auch für alle anderen Trader interessant, um die Bewegungen des Marktes besser zu verstehen und möglichst sicher zu handeln.
1. Warum sind Quartalszahlen für Trader überhaupt interessant?
Die meisten Trader sind an kurz- bis mittelfristigen Bewegungen interessiert. Warum sollte man sich trotzdem mit den fundamentalen Daten der Unternehmen auseinandersetzen?
Institutionelle Investoren bewegen die Märkte
Als Trader nutzen wir die kurz- und mittelfristigen Bewegungen an den Märkten. Dabei hilft es, sich bewusst zu machen, dass die Bewegungen im Wesentlichen von den großen institutionellen Investoren und Fonds initiiert werden. Ein steigendes Interesse institutioneller Anleger lässt Aktienkurse steigen – oder bei sinkendem Interesse auch fallen.
Ob institutionelle Investoren Interesse an einer bestimmten Aktie haben oder nicht, entscheidet sich zu großen Teilen am finanziellen Erfolg und den zukünftigen Entwicklungen des Unternehmens. Die Quartalsberichte der Unternehmen liefern regelmäßig messbare Statistiken aus erster Hand, um die Unternehmen einzuschätzen.
Quartalsberichte sind messbare Einblicke in die Unternehmen aus erster Hand
Die Quartalsberichte der Unternehmen dienen institutionellen Anlegern als Kriterium, nach denen die Portfolios angepasst und umgeschichtet werden. Ziel ist es, immer die besten Aktien mit dem stärksten Wachstum, der höchsten Profitabilität, den besten Zukunftsaussichten und den größten Burggräben im Portfolio zu haben.
Je nach den individuellen Strategien und Kriterien der Investoren werden auf Grundlage der Quartalsberichte folgende Entscheidungen getroffen:
- Aktien im Portfolio, die gute Quartalsberichte präsentieren, bleiben im Portfolio
- Aktien im Portfolio, die schlechte Quartalsberichte präsentieren, fliegen raus
- Aktien aus der Watchlist, die mit ihren Quartalsberichten überzeugen, werden ins Portfolio neu aufgenommen
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Überraschungen bieten spannende Einstiegsmöglichkeiten für Trader
Um die jeweils besten Aktien im Portfolio zu halten und notwendige Anpassungen so früh wie möglich zu erkennen, achten langfristig orientierte Anleger besonders auf die folgenden Aspekte in Quartalsberichten:
- Wie stark wachsen Umsatz, Gewinn und Margen?
- Wie lang wird das Wachstum anhalten?
- Wie offensichtlich bzw. sichtbar sind die Informationen für den Markt?
Insbesondere der letzte Aspekt offenbart für Trader regelmäßig Chancen, um von schnellen Marktbewegungen überdurchschnittlich zu profitieren. Geht man von einem effizienten Börsenmarkt aus, der alle offensichtlichen Informationen bereits in die Aktienkurse eingepreist hat, sind besonders jene Informationen spannend, die den Markt überraschen.
Solche sogenannten "Pivot Points" können dazu führen, dass institutionelle Anleger ihre Portfolios umstrukturieren und Positionen einzelner Aktien aufstocken oder reduzieren. Je größer eine Aktienposition, desto länger dauert es, bis sie durch den institutionellen Investor vollständig auf- oder abgebaut wurde.
Bei kleinen oder illiquiden Aktien kann der Aufbau einer Position mehrere Wochen dauern. Diese Bewegungen können wir als Trader nutzen, wenn wir sie frühzeitig erkennen und rechtzeitig auf den Zug aufspringen. Die Quartalsberichte liefern Tradern also Hinweise darauf, welche Unternehmen bei institutionellen Anlegern gefragt sind und welche Kurse von einer steigenden Nachfrage getrieben werden.
2. Wonach sollten Trader in den Quartalsberichten suchen?
Mit Quartalsberichten können Trader die Wahrscheinlichkeit erhöhen, die richtigen Aktien auszuwählen. Doch worauf sollten Trader achten, wenn sie die Quartalsberichte der Unternehmen studieren?
Wichtige Wachstumstreiber für mittel- bis langfristiges Wachstum
Wer als Trader Wachstumsaktien handelt, sollte bei den Quartalsberichten nach den Unternehmen mit dem größten Gewinn- und Umsatzwachstum suchen. Um nur die Besten der Besten im Portfolio zu haben, sollten jene Unternehmen ausgewählt werden, die schnell wachsen und ihre Marktposition stetig ausweiten können. Eine Faustregel lautet, dass Gewinn und Umsatz mindestens mit zweistelligen Prozenten wachsen sollten. Im Allgemeinen gilt, je höher desto besser.
Wichtig ist allerdings, dass es sich bei dem Wachstum um keinen Einmaleffekt, sondern um einen strukturellen Vorteil des Unternehmens handelt. Daher sollte nach folgenden Gründen für das Wachstum gesucht werden:
- neue Produkte
- steigende Marktmacht
- globale Trends in Wirtschaft und Gesellschaft (z.B. Digitalisierung, Nachhaltigkeit)
Zusätzlich hilft es, nicht nur das jüngste Quartal, sondern auch die Gesamtentwicklung der letzten 3 bis 6 Quartale zu betrachten. Besonders vielversprechend gelten Unternehmen und Aktien, die über mehrere Quartale hinweg immer schneller wachsen und die Zahlen der vorherigen Quartalsberichte wieder und wieder übertreffen.
Unternehmen, die über mehrere Jahre hinweg starkes Wachstum lieferten und zu den besten Aktien der jüngeren Börsengeschichte gehören, sind beispielsweise die bekannten Tech-Giganten Apple, Amazon, Alphabet und Microsoft.
Microsoft berichtet seit Jahren gute Zahlen und zieht ohne große Rücksetzer nach oben
Positive Überraschungen und Anpassungen von Analysten-Schätzungen
An der Börse wird nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft gehandelt. Diese Aussage hat vermutlich jeder, der sich mit der Börse beschäftigt, schon einmal gehört. Doch was bedeutet das für Trader im Zusammenhang mit den Quartalszahlen?
Wie eingangs erläutert, werden alle dem Markt bekannten Informationen in die Aktienkurse eingepreist. Spannend wird es daher, wenn Unternehmen in den Quartalsberichten Zahlen präsentieren können, die die Erwartungen der Anleger und Analysten übertreffen. Auch in den Ausblicken des Managements (Forward Looking Statements) können bis dato nicht eingepreiste Hinweise auf die Zukunft des Unternehmens gefunden werden.
Steigt das Wachstum schneller als in den vorigen Quartalen oder werden die Gewinnprognosen durch das Management angehoben, wird das Interesse der Anleger geweckt. Es ist daher zu empfehlen, vor den Quartalsberichten die Erwartungen der Analysten anzuschauen, um die berichteten Zahlen und positive Überraschungen besser einschätzen zu können.
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Ein weiteres positives Indiz für Unternehmen sind Anhebungen von Kurszielen, die von Analysten herausgegeben werden. Insbesondere Kurszielanhebungen vor Veröffentlichung der Quartalszahlen deuten darauf hin, dass noch nicht alle Informationen vom Markt eingepreist wurden. Analysten können durch persönliche Gespräche mit dem Vorstand und Insidern tiefere Einblicke in die Abläufe und Prozesse gewinnen und die Unternehmen fundierter bewerten.
Eine Aktie, die in den vergangenen Quartalen immer wieder die Erwartungen übertreffen konnte, ist der Kochboxen-Lieferant HelloFresh. Die Aktie stagnierte bis Mitte 2019 trotz starker Wachstumszahlen, weil viele Analysten keinen Markt für das Geschäftsmodell sahen. Anschließend sauste die Aktie steil nach oben.
Das Geschäftsmodell von HelloFresh wurde trotz starkem Wachstum lange unterschätzt
Die Bereitschaft der Marktteilnehmer, einen höheren Preis für die Aktie zu bezahlen, lässt den Kurs nach oben steigen. Solche Nachrichten sind für Trader daher häufig günstige Einstiegsmöglichkeiten, um frühzeitig auf die Aufwärtsbewegung aufzuspringen.
3. Wann sollten Trader bei den Quartalszahlen genauer hinsehen?
Trader sollten Aktien auf die Watchlist setzen, die ein starkes Wachstum bei Umsatz und Gewinn berichten und in der Vergangenheit den Markt positiv überraschen konnten. Doch nicht jedes Wachstum eignet sich auch zum Kauf. Worauf sollten Trader achten, um nicht auf die falschen Aktien zu setzen?
Verlangsamtes Gewinnwachstum im Vergleich zu den Vorquartalen
Vorsichtig sollten Trader sein, wenn das Gewinnwachstum zwar immer noch zweistellig ist, aber deutlich unterhalb des Wachstums der letzten Quartale liegt. Dies kann ein erster Hinweis auf eine nachhaltige Abschwächung des Wachstums sein. Häufig ist eine Verlangsamung der erste Indikator für eine Abschwächung oder das Ende der Wachstumsphase.
Insbesondere hoch bewertete Wachstumsaktien werden bei nachlassendem Wachstum regelmäßig wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. Kursverluste von 90% oder mehr konnten in der Vergangenheit immer wieder beobachtet werden.
Wenn das Management das sinkende Wachstum damit entschuldigt, dass in der Zukunft wieder stärkere Zuwächse erwartet werden, sollte dies für Trader eine rote Flagge darstellen. Wie die ferne Zukunft aussieht, kann schließlich keiner wissen und ist daher immer mit Spekulationen verbunden.
Wachstum durch Einmaleffekte verpufft nach ein bis zwei Quartalen
Ein weiterer Aspekt, auf den Trader achten sollten, ist der zugrundeliegende Treiber für das berichtete Wachstum. Steigen Umsätze und Gewinne durch erhöhte Absatzzahlen, neue Produkte, steigende Verkaufspreise und gesteigerte Kundenzahlen, ist dies in der Regel ein Zeichen für steigende Marktmacht und wird von institutionellen Anlegern wohlwollend aufgenommen.
Vorsicht sollten Trader hingegen walten lassen, wenn das Umsatz- und Gewinnwachstum auf Produktivitätssteigerungen in Form von Kostensenkungen, Betriebsschließungen, Anteilsveräußerungen, verzögerte Abschreibungen und ähnlichen Treibern zurückzuführen ist. Derartige Effekte wirken sich in der Regel nur kurzfristig auf die berichteten Zahlen aus. Für die Zukunft bleibt hingegen nur wenig Potential, um den Markt mit unerwartet hohen Wachstumsraten positiv zu überraschen.
Vorsicht vor allseits bekannten Wachstumswerten und den Empfehlungen der Medien
Um die Quartalszahlen als positiven Impuls für einen Trading-Einstieg zu nutzen, sollten die berichteten Zahlen und Nachrichten für positive Überraschungen am Markt sorgen. Wenn hingegen bereits alle Marktteilnehmer wissen, dass das Unternehmen stark wächst und dies auch bereits in den Aktienkurs eingepreist wurde, werden positive Überraschungen für Unternehmen immer schwerer.
Aktien, die gut laufen, von denen aber auch bereits alle wissen, dass sie gut laufen, sollten daher immer mit Vorsicht gehandelt werden. Die hohen Erwartungen an das zukünftige Gewinnwachstum machen die Aktien anfällig für Rücksetzer. Kleinste Verfehlungen und Einbußen bei Gewinn und Umsatz können zu dramatischen Kursrücksetzern führen.
Ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit stellt PayPal dar, das noch immer solide wächst, durch Corona aber bei allen Anlegern in den Fokus gerückt ist. Die positiv erwarteten Wachstumsraten wurden bereits zu großen Teilen in die Aktie eingepreist, sodass trotz guter Zahlen der Kurs immer weniger Reaktionen zeigte und zuletzt stagnierte.
Die Aktie von PayPal bewegt sich trotz guter Zahlen seit einiger Zeit seitwärts
Für Trader empfehlen sich daher besonders kleinere und unbekanntere Unternehmen, die noch am Beginn des Wachstums stehen nicht in jeder Börsenzeitschrift als Geheimtipp präsentiert werden.
4. Welche Fehler sollten Trader beim Handel von Quartalsberichten unbedingt vermeiden?
Wer als Trader auf die Aktien mit strukturellen Wettbewerbsvorteilen und starkem Wachstum setzt, bringt die Wahrscheinlichkeiten auf seine Seite. Einige Punkte sollten Breakout-Trader zudem um jeden Preis vermeiden.
Vorsicht vor Gap-Downs und "günstigen" Einstiegschancen
Gap-Downs treten häufig auf, wenn es ein Unternehmen nicht schafft, die Erwartungen des Marktes zu erfüllen oder zu schlagen. Für viele Trader sind Gap-Downs mit deutlichen Kurslücken nach unten reizvoll, da sich hierbei eine scheinbar günstige Einstiegsmöglichkeit offenbart. Schließlich ist das Ziel der meisten Marktteilnehmer an der Börse, günstig zu kaufen und teuer zu verkaufen.
Und was schnell nach unten ging, kommt vielleicht auch schnell wieder hoch? Gelegentlich kann diese Spekulation zwar aufgehen, wenn der Markt beispielsweise zu negativ auf Quartalsberichte reagiert und kurz darauf die rationalen Bewertungen wieder über die Emotionen siegen. So bauen einige Aktien nach schlechten Quartalszahlen schnell wieder relative Stärke auf und ziehen nach dem Sell-Off wieder nach oben.
Viel häufiger sind schlechte Quartalsberichte jedoch erst der Beginn einer deutlichen Korrektur. Der Kauf einer gesunkenen Aktie ist daher nicht immer ein günstiger Einstieg.
Falsche Hoffnungen auf den Turnaround
Häufig sind die schlechten Quartalszahlen nur der erste Hinweis auf strukturelle Probleme des Unternehmens. Abnehmende Marktmacht, zunehmender Preisdruck und stärkere Konkurrenz drücken aufs Geschäft. Einstige Marktführer und Leader-Aktien werden an der Börse regelmäßig durch neue Innovatoren abgelöst und in der Folge von den Investoren aus den Portfolien geschmissen.
Mit solchen Aktien lässt sich in der Regel kein Geld verdienen, weshalb Trader keine falschen Hoffnungen auf einen Turnaround haben sollten. Wenn mal als Trader die kurz- bis mittelfristigen Kursanstiege mitreiten möchte, ist es besser, sich auf die Aktien mit den positiven Überraschungen und starken Wachstumszahlen zu fokussieren und die Verlierer-Aktien links liegen zu lassen.
Fazit: Quartalszahlen als Treibstoff für Marktbewegungen
Die Trading-Strategie CANSLIM von William O’Neil besagt, dass Aktien mit starken Quartalsberichten und hohem Wachstum durch den Kaufdruck der institutionellen Anleger nach oben getrieben werden. Trader können diese Marktbewegungen nutzen, wenn sie den Zug früh genug erwischen.
Um auf die richtigen Aktien zu setzen, sollten Trader nach starkem Wachstum bei Umsatz und Gewinn suchen. Um sicherzugehen, dass die positiven Zahlen keine Eintagsfliege sind, empfiehlt sich ebenfalls ein Blick auf die Zahlen der vorherigen Quartale. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass das Wachstum auf neue Produkte oder steigende Marktmacht zurückzuführen ist.
Vorsichtig sollten Trader hingegen werden, wenn sich das Wachstum verlangsamt oder nur durch produktivitätssteigernde Einmaleffekte des Managements hervorgerufen wurde.
Ich wünsche euch für euer Handeln an den Kapitalmärkten viel Erfolg!
Bis zum nächsten Mal
Jonas Hofmann
Die Gedanken dieses Artikels basieren auf der CANSLIM-Strategie von William O'Neil sowie dem SEPA-Ansatz von Mark Minervini. Eine ausführliche Anleitung zur CANSLIM-Strategie findet ihr hier:
https://aktien-mag.de/top-growth-stocks-nach-oneil/dieser-mann-hat-viele-trader-zu-millionaren-gemacht-wir-erklaren-die-canslim-strategie-von-william-oneil/p-848